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Politik: Wollt ihr das totale DU?

Was beim Fußball das Tor ist, das ist bei der Integration das Bekenntnis. Der Migrant integriert nicht länger unschlüssig vor sich hin, er torkelt nicht länger durch Kulturen und Korridore, sondern schließt seine entsprechenden Bemühungen endgültig ab.

Was beim Fußball das Tor ist, das ist bei der Integration das Bekenntnis. Der Migrant integriert nicht länger unschlüssig vor sich hin, er torkelt nicht länger durch Kulturen und Korridore, sondern schließt seine entsprechenden Bemühungen endgültig ab. Und bekennt. Die Frage ist freilich: Was? Und wozu?

Zu Deutschland, schon klar. Aber das ist jenen, die das Bekenntnis fordern, irgendwie zu allgemein. Sie wünschen offenbar, dass der Bekenner damit auch bestimmte lästige Angewohnheiten wie das Inauftraggeben von Ehrenmorden oder das Grillen von Lämmern im Kinderzimmer ablegt. Man könnte mit ihm nun jeden einzelnen Punkt durchgehen und ihn beispielsweise zwingen, sich zum deutschen Lammeintopf mit grünen Bohnen vom Herd zu bekennen, das ergäbe eine sehr unübersichtliche Liste. Deutsche Leitkultur, das hatten wir schon, doch niemand wusste, ob dieser Leitkultur mit dem Rezitieren einer Schiller-Ballade Genüge getan wäre, oder ob dazu auch das Tragen von Adiletten beim Sonntagsbrunch gehört.

Die Zeit war reif für einen neuen Ansatz, und er kommt von Unionsfraktionschef Kauder. Einbürgerungswillige Ausländer, sagt er, müssten sich zur „deutschen Schicksalsgemeinschaft“ bekennen. Das klingt bedeutend, man hört Pauken, metallisch peitscht ein Becken, ein Violinglissando steigt hoch. Eine Bruckner-Sinfonie? Was von Wagner?

Hören können wir sie. Aber verstehen? Eine Schicksalsgemeinschaft besteht zum Beispiel aus Menschen, die in der Wüste mit dem Flugzeug abgestürzt sind und nun nach Wasser suchen müssen. Aber was nützt es, sich dazu zu bekennen? Die faschistischen „Deutschen Christen“ haben sich seinerzeit zur „Blut- und Schicksalsgemeinschaft“ des deutschen Volkes bekannt, interessant, aber kein Höhepunkt der Integrationspolitik, wie wir heute wissen.

Kauders Idee wird also vermutlich scheitern. Aber hier ist ein pragmatischer Ansatz: „Wollen wir uns alle duzen?“ schlägt die Bild-Zeitung in fetten schwarz-rot-goldenen Lettern vor. Das deutsche, das totale DU, als Bekenntnis eines Landes, das vor guter Laune schier platzen möchte – das wäre doch auch was für unsere Einbürgerungskandidaten. Die Version „Ey, Alder“ akzeptieren wir natürlich auch.

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