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Lange Wege statt Romantik: Seit 2007 verpflichtet Deutschland ausländische Eheleute zum Sprachtest. Vor der Einreise.

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Zehn Jahre Sprachtest: Von guten und schlechten Ehen

Seit 2007 müssen ausländische Eheleute erst einmal Deutsch büffeln, bevor sie ins Land dürfen - allerdings nicht alle.

Zehn Jahre ist es nun her, dass Deutschland die verpflichtende Sprachprüfung für ausländische Eheleute einführte. Die Reform vom August 2007 schrieb erstmals ins Aufenthaltsgesetz, dass "der Ehegatte" nur einreisen dürfe, wenn er "sich zumindest auf einfache Weise in deutscher Sprache verständigen kann". Begründung damals: Es gelte, Zwangsehen zu verhindern, die Integration von Ausländern zu erleichtern und vor allem Frauen das grundlegende Mittel zu Eigenständigkeit an die Hand zu geben. Als "Gesetz zur Förderung der Integration" lobte der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble seinen Entwurf.

Die Türkin muss zum Test - der koreanische Bräutigam nicht

Was wie ein Gebot des gesunden Menschenverstands klang, hatte es, als Pflicht ins Gesetz gegossen, in sich - in mehrfacher Weise: Für Eheleute aus der EU nämlich durfte sie ohnehin nicht gelten und Staatsangehörige aus ein paar weiteren Ländern des globalen Nordens - etwa die USA, Kanada, Israel, Japan und Südkorea - waren ausdrücklich ausgenommen, auch "hochqualifizierte Unternehmensgründer“ und Ausländer mit nicht näher definiertem "geringem Integrationsbedarf". Migrantenorganisationen und die die Opposition von Grünen und Linken waren gegen das Vorhaben Sturm gelaufen: Was das Gesetz behaupte, werde besser mit Sprachkursen und einem Alltag in Deutschland erreicht, außerdem dürfe das Menschenrecht auf ein Familienleben und die vom Grundgesetz geschützte Ehe nicht von Sprachkenntnissen abhängig gemacht werden. Von einem "Gesetzeszweck, der nicht im Gesetz steht", sprach drei Jahre nach dem Inkrafttreten der Grünen-Migrationspolitiker Josef Winkler - und der sei jetzt erfüllt: Die Zahl der Familiennachzüge aus der Türkei nach Deutschland waren da bereits um 60 Prozent gefallen. Die Gründe wurden etwa im Verfahren einer Türkin deutlich, das 2010 das Bundesverwaltungsgericht entschied. Die Mutter von fünf Kindern war Analphabetin und der nächst erreichbare Deutschkurs in ihrer Heimat 400 Kilometer entfernt. Das Leipziger Gericht blieb ungerührt: Es sei zumutbar, in einem Jahr erst einmal Lesen und Schreiben und dann Deutsch zu lernen. Der Schutz von Ehe und Familie sei nicht absolut, sondern mit dem öffentlichen Interesse Deutschlands in einen "schonenden Ausgleich" zu bringen.

Die Niederlande und Österreich gaben den Sprachtest auf

Das sah die Europäische Kommission anders: Im niederländischen Fall einer Afghanin, die zu ihrem Mann ziehen wollte - die Niederlande hatten den verpflichtenden Sprachtest ein Jahr früher als Deutschland eingeführt - entschieden ihre Experten im Mai 2011, dass Sprachkenntnisse zwar gefordert werden könnten, aber nicht das Zusammenleben von Familien davon abhängig gemacht werden dürfe. Den Haag genügte das Brüsseler Gutachten, das Gesetz zu kassieren, auch die österreichische Regierung gab danach ein entsprechendes Gesetzesvorhaben auf. Deutschland wartete ab - und handelte sich dafür 2013 ein Vertragsverletzungsverfahren ein. Im Juli 2014 erklärte der Europäische Gerichtshof die deutsche Regelung speziell für Türkinnen und Türken als rechtswidrig. 1970 nämlich hatten Europa und die Türkei vereinbart, dass die Hürden für eine Niederlassung türkischer Bürger in den Ländern damals noch der Europäischen Gemeinschaft nicht wachsen dürften - und genau so eine weitere Hürde sah das Luxemburger Gericht nun im deutschen Sprachtest. Wenn es Menschen erschwert oder unmöglich gemacht werde, mit ihren Ehepartnern zusammenzuleben, erschwere das ihre Entscheidung, sich in einem Land niederzulassen.

"Partnerwahl nach Bildung"

Danach kam etwas Bewegung in die harte deutsche Position: Das Auswärtige Amt versprach nicht nur die Umsetzung der Luxemburger Entscheidung, sondern kündigte kurz nach dem Urteil aus Luxemburg auch eine Lockerung der Sprachvorschrift insgesamt an: Wer sich ein Jahr lang ernsthaft ums Deutschlernen bemühe, sollte von nun an ein Einreisevisum bekommen, ebenso Ehefrauen und -männer, für die ein Sprachkurs in der Heimat praktisch unerreichbar wäre. Viel Erfolg hatte die Härtefallregelung aber offenbar nicht; nach Auskunft des Auswärtigen Amts blieben die Ehen, die dadurch in Deutschland gelebt werden konnten, "im niedrigen zweistelligen Bereich". Nicht geschafft hatten es dagegen - etwa im Jahre 2015 - 12000 ausländische Eheleute, darunter auch die Partnerinnen und Partner von Deutschen. In der Praxis, so die Linken-Migrationspolitikerin Sevim Dagdelen in einer Erklärung zum zehnten Jahrestag des Pflicht-Deutschtests, bleibe die Erleichterung ohne Wirkung. "In der Regel wird den Betroffenen unterstellt, sie hätten sich nicht genug um den Spracherwerb bemüht".

"Zehn Jahre Familientrennung, Leid und Frustration" resümierte jetzt der Verband binationaler Familien und Partnerschaften zum Jahrestag und und kritisierte vor allem die Unterscheidung zwischen erwünschten und unerwünschten Eheleuten, meist aus den armen Ländern der Erde: "Wer qualifiziert ist, wandert über den Arbeitsmarkt zum Partner ein. Wer diese Möglichkeit nicht hat, hat kaum eine Chance auf ein gemeinsames Leben in Deutschland." Der Staat mache hier "die Partnerwahl von Bildungsbiografien abhängig".

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