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Zentralasien: Westen: Massaker in Usbekistan aufklären

Nach dem von Regierungstruppen verübten Massaker in Usbekistan mit bis zu 500 Toten haben westliche Staaten eine schonungslose Aufklärung in der zentralasiatischen Republik verlangt.

Taschkent/Moskau/Berlin (16.05.2005, 16:56 Uhr) - «Die Umstände der Gewaltanwendung müssen umgehend und in aller Offenheit untersucht werden», forderte Bundesaußenminister Joschka Fischer am Montag in Berlin. Der britische Außenminister Jack Straw betonte, die Gewalt von Regierungsseite sei «nicht zu rechtfertigen». Augenzeugen berichteten, wie Soldaten in der Stadt Andischan am Freitag auf friedliche Demonstranten schossen, darunter auch Frauen und Kinder. Die usbekische Führung sprach von einem «tapferen» Vorgehen des Militärs gegen «bewaffnete Extremisten».

Nach der blutigen Niederschlagung des Aufstands in Andischan nahm die usbekische Polizei am Montag nach eigenen Angaben etwa 70 Menschen fest, die als mutmaßliche Aufrührer galten. Die Lage in der Stadt im Fergana-Tal normalisiere sich langsam, sagte der Innenminister Sakir Almatow.

Von allen Friedhöfen der 300 000-Einwohner-Stadt Andischan wurden zahlreiche Beerdigungen gemeldet. Die autoritäre Staatsführung in Taschkent dementierte die Schätzungen von 500 Toten und 2000 Verletzten. Die Nachrichtenlage blieb im Konfliktgebiet unübersichtlich, nachdem das Militär Journalisten zum Verlassen von Andischan zwang.

An der etwa 30 Kilometer entfernten Grenze zu Kirgisien riss der Strom usbekischer Flüchtlinge nach dem Blutbad von Andischan nicht ab. «Sie werden uns in der Heimat töten», riefen einige Usbeken, die um Asyl im Nachbarland baten. In offiziellen Berichten hieß es dagegen, vor allem bewaffnete Aufständische suchten Schutz vor dem usbekischen Militär.

Bewaffnete Stadtbewohner hatten in der Nacht zum Freitag Gefängnisse gestürmt und tausende Gefangene befreit. Am darauf folgenden Abend war usbekisches Militär gegen das von den Aufständischen besetzte Gebäude der Gebietsverwaltung vorgegangen. Dabei schossen die Soldaten nach Berichten von Beobachtern in die Menge der vor dem Gebäude demonstrierenden Menschen.

«Am Freitagabend haben die Militärs das Feuer auf friedliche Bürger eröffnet. Dabei starben hunderte Menschen», sagte der Leiter der Menschenrechtsorganisation «Apellazija» (Berufung), Saidschachon Sainabitdninow, in Andischan. Am nächsten Morgen seien die Toten, darunter viele Frauen und Kinder, mit Lastwagen und Bussen aus der Stadt gebracht worden. Menschenrechtsorganisationen sprachen in Andischan von bis zu 500 Toten. Es waren die schwersten Konflikte in Usbekistan seit der Unabhängigkeit der früheren Sowjetrepublik im Jahre 1991.

Der usbekische Präsident Islam Karimow hatte am Samstag extremistische Gruppierungen für das Blutbad verantwortlich gemacht. Beobachter hingegen sehen den Auslöser der Proteste in den miserablen Lebensbedingungen der Bevölkerung. Das betroffene Fergana-Tal ist das am dichtesten besiedelte Gebiet Zentralasiens. Die Region gilt seit langem als Pulverfass. Islamische Organisationen verzeichnen unter der Bevölkerung großen Zulauf. (tso)

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