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Politik: Zentralisten und kleine Fische

Die rot-grüne Koalition sucht nach Wegen, radikale Lösungen bei der Föderalismusreform zu vermeiden

Berlin - Für Reinhard Bütikofer ist die Sache klar: Was sich einige da so ausgedacht hätten zur Reform des Föderalismus, das laufe auf „Kleinstaaterei“ hinaus. Nicht zuletzt, was die Vertretung Deutschlands bei der EU betreffe. Aber auch bei anderen Punkten warnt der Grünen-Chef, den Bogen nicht zu überspannen. Während die SPD in der Föderalismuskommission zwischen Bund- und Länderinteressen hin- und hergerissen ist und sich an diesem Montag bei einem Krisengespräch zusammenraufen will, reden führende Bundes-Grüne Klartext.

Ein bedingungsloses Abweichungsrecht der Länder bei Bundesgesetzen, wobei neue Bundesgesetze wieder die Landesgesetze aufheben? „Davon halten wir gar nichts“, sagt Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck. „Eine verbohrte Diskussion“, findet Bütikofer. Fraktionschefin Krista Sager bezeichnet den entsprechenden Vorschlag der Bundestagsabgeordneten Joachim Stünker (SPD) und Nobert Röttgen (CDU), mit dem auch NRW und Niedersachsen liebäugeln, gar als „Unfug hoch drei“. Zumal er mit der Streichung des Passus über die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Artikel 72 des Grundgesetzes verbunden ist und den Grundsatz „Bundesrecht bricht Landesrecht“ beiseite lässt. Sager fürchtet zudem, dass ein solches Abweichungsrecht zu einer „Pingpong-Gesetzgebung“ führt. Diese Aussagen geben die Stimmung in der gesamten rot-grünen Spitze wieder. Der gehen einige Kompromisslinien in der Kommission viel zu weit.

Der Stuttgarter Grünen-Fraktionschef Winfried Kretschmann kritisiert dagegen die „polemischen Töne“ aus Berlin. „Fanfarentöne verhärten nur die Fronten.“ Kretschmann wirft der Bundesführung einen überkommenen Glauben an „etatistisch-zentralistische Lösungen“ vor. Das Abweichungsrecht müsse keinem Angst machen. Ein „Dumping“ bei Standards werde es nicht geben. „Man soll doch in Berlin nicht immer so tun, als ob in den Landtagen der Dschungel beginnt“, sagt Kretschmann. Im Übrigen werde sich das Problem lösen, wenn man bei genügend Gesetzesmaterien zu einer klaren Trennung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern komme. Da aber müsse sich der Bund noch bewegen.

Diese Meinung teilt der Grünen-Fraktionschef in Berlin, Volker Ratzmann. Er erinnert daran, dass die Entflechtung von Kompetenzen das eigentliche Ziel der Reform sei. Das Stünker/Röttgen-Modell lehnt freilich auch er ab. Seine Begründung: „Es wäre ein Danaergeschenk für die Länder, weil es letztlich den Bund stärkt. Denn ein Abweichen von einer Bundeslinie, ein Ausscheren aus einer Länderfront ist so einfach nicht.“ Sein Kompromissvorschlag: Die Länder können auf Feldern, bei denen die Trennung nicht gelingt, von Bundesgesetzen abweichen, wenn nicht das Gebot der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse dem entgegenstehe. Dann müsse jedoch der Bund begründen, warum das Abweichen nicht möglich sein soll. Hintergrund dieses Vorschlags ist, dass die Verfassungsrichter in Karlsruhe die Anforderungen dafür mittlerweile deutlich höher gesetzt haben als bisher: Bundeseinheitliche Gesetze seien erst nötig, wenn sich die Lebensverhältnisse „in erheblicher, das bundesstaatliche Sozialgefüge beeinträchtigender Weise auseinander entwickelt haben“. Ähnliche Vorstellungen gibt es wohl auch in der SPD. Jedenfalls betont SPD-Chef Franz Müntefering, Ko-Vorsitzender der Föderalismuskommission, man müsse den Ländern die Chance geben, die Gleichwertigkeit „in ihrem Rahmen zu schaffen“. Zentrale Steuerung sei dabei nicht immer gut.

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