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Politik: Zimmer mit Aussicht

Die alte und neue Chefin will ihre Partei auf Oppositionskurs bringen – die Reformer werden an den Rand gedrängt

Von Matthias Meisner, Gera

Irgendwie soll es weitergehen. Deshalb ballt Hans Modrow, als er sich am Sonntag vor seinem Hotel in Gera von Genossen verabschiedet, kämpferisch die Faust. Die PDS hat sich am Vortag hinter ihrer Vorsitzenden Gabi Zimmer geschart, sie mit relativ klarer Mehrheit für zwei weitere Jahre im Amt bestätigt. Am späten Samstagabend stand der Ehrenvorsitzende Modrow mit der wieder gewählten Parteichefin auf der Bühne des Kultur- und Kongresszentrums der thüringischen Kreisstadt, noch ganz geschafft vom Machtkampf um die Führung. Glücklich ist er nicht. „Die Dinger, die ich gedreht habe, sind anders gelaufen“, sagt Modrow zum Gezerre um die Spitzenposten: „Das hätten wir damals in der SED besser hingekriegt."

Die Partei wollte sich hinter Gabi Zimmer scharen, doch in Wahrheit treibt sie weiter auseinander. Der scheidende Fraktionschef Roland Claus, der erst am Samstagabend in Gera seine Kandidatur erklärt hatte, konnte daran ebenso wenig etwas ändern wie Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch, der zunächst gegen die Vorsitzende antreten wollte. „Links liegen“ lassen, gaben die unterlegenen Reformer als Parole für die weiteren Vorstandswahlen aus. Die Zimmer-Fans Peter Porsch und Diether Dehm wurden ohne Widerspruch zu Stellvertretern der Vorsitzenden wählen. Neu ins Team kam Heidemarie Lüth aus Sachsen, Vertreterin der Arbeitsgemeinschaft Senioren. Er wolle „treuer Diener“ von Zimmer sein, begründete der frühere Bundestagsabgeordnete Uwe Hiksch seine Kandidatur für das Amt des Bundesgeschäftsführers – und wurde gewählt.

Auf den Fluren der Kongresshalle wird derweil über die drohende Erosion der Partei debattiert. „Die vergnatzte Blockadehaltung macht mir Sorge“, sagt Porsch, nachdem fast keiner aus dem Lager der Erneuerer überhaupt noch in der Spitze mitwirken will. Als dann doch die ehemaligen Bundestagsabgeordneten Wolfgang Gehrcke und Evelyn Kenzler als Beisitzer antreten, bekommen sie – in der Partei ist die Sehnsucht nach Pluralismus groß – Traumergebnisse. Die Landesvorsitzenden aus Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern beraten, wie die Partei trotz eines rückwärts gewandten Vorstandes die Menschen erreichen will. Die Revolte spricht sich schnell herum. „Wenn über vier Landesverbände versucht wird, den Bundesvorstand auszuhebeln, kann das nur zum Untergang der PDS führen“, schimpft Uwe-Jens Heuer vom Marxistischen Forum. Doch diejenigen, die seit Jahren das Wort vom „Gebrauchswert“ der PDS im Munde führen, sehen schwarz für die weitere Zukunft.

„Es war eine schöne Zeit in der PDS“, sagt sarkastisch Angela Marquardt, die unter Lothar Bisky einmal stellvertretende Vorsitzende war. „Rückhalt für unsere Koalitionsverhandlungen haben wir hier nicht erfahren“, klagt der Schweriner Vize-Ministerpräsident Helmut Holter. Roland Claus will kämpfen, dass die Positionen der in Gera Unterlegenen in der PDS wieder mehrheitsfähig werden. „Aber das wird nicht leicht.“ Bartsch sagt, er fürchte Austritte. Und versichert: „Ich werde tun, was ich tun kann, um das zu verhindern. Aber das steht nicht in meiner Macht.“

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