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Politik: Zu früh gefreut: Die Fraktion lässt Angelika Barbe im Stich - und ihren eigenen Vorsitzenden gleich mit

Angelika Barbe hat sich zu früh gefreut. Wortlos hat die CDU-Politikerin am Freitag nachmittag den sächsischen Landtag verlassen, nachdem sie als neue Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen durchgefallen ist.

Angelika Barbe hat sich zu früh gefreut. Wortlos hat die CDU-Politikerin am Freitag nachmittag den sächsischen Landtag verlassen, nachdem sie als neue Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen durchgefallen ist. Zurück bleiben betretene Gesichter, bedauernde Worte, ein nutzlos verwelkender Blumenstrauß.

Dabei hat an der Wahl der ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten, einer der prominentesten Überläuferinnen aus dem Kreis der ehemaligen DDR-Bürgerrechtler, kein Zweifel bestanden - vorher. Selten zuvor ist bei der mit satter Mehrheit ausgestatteten CDU eine Personalangelegenheit so sorgfältig vorbereitet worden: Bei der Vorstellung vor der Fraktion gewinnt die ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin die Herzen der Abgeordneten und setzt sich mit großer Mehrheit gegen ihren Kontrahenten durch, den Publizisten Michael Beleites. Die Staatsregierung greift den Vorschlag auf. Dass die Kandidatin weder von PDS noch von der SPD wohlgelitten ist, soll keine Rolle spielen. Doch an der Wahlurne halten ihr nur 59 Abgeordnete die Treue, 61 wären nötig gewesen. In der Abgeschiedenheit der geheimen Wahl haben danach mindestens neun Abgeordnete der CDU ihr Kreuz auf der anderen Seite gemacht.

Bei der Opposition ist die Schadenfreude nicht zu überhören. "Das wäre nicht mal uns passiert", heißt es lachend bei der PDS. Ursachenforschung bei der CDU, Krisensitzung. Die Fraktion redet sich die Köpfe heiß, Ministerpräsident Kurt Biedenkopf schweigt. Fraktionschef Fritz Hähle ist ratlos. Noch am Wahltag selbst habe er in der Fraktion nach abweichendem Stimmverhalten gefragt, kein einziger Abgeordneter habe sich gemeldet. Hähle, der sich die Angelegenheit selbst auf den Tisch gezogen hat, ist durch die missglückte Wahl einmal mehr beschädigt. Justizminister Steffen Heitmann (CDU) hatte mit seiner Personalpolitik die Fraktion in mehrfach unangenehme Situationen gebracht. Schlusspunkt war der unglückselige Siegmar Faust, der vormalige Landesbeauftragte, der wegen seiner Vorliebe für erotische Bildchen im Internet im vergangenen Jahr abgewählt wurde.

Für Hähle, nur noch gelegentlich als möglicher Nachfolger von Ministerpräsident Kurt Biedenkopf gehandelt, wird es eng. Nachdem seine Wahl zum CDU-Landesvorsitzenden im vergangenen Jahr beinahe gescheitert ist, muss er jetzt einen weiteren Fehlschlag verantworten. War das beabsichtigt, war Barbe nur das Opfer? In der Fraktion gibt es latenten Unmut. Der vorsichtig abwägende Hähle gilt einigen nicht als entschlossen genug, besonders gegenüber der Staatsregierung. Aber auch das Scheitern des früheren sächsischen Umweltministers Arnold Vaatz vergangene Woche bei der Wahl des Präsidiums der CDU-Bundespartei wird Hähle mit angelastet. Der weist die Vorwürfe zurück: Vaatz habe sein Scheitern auf dem Essener Bundesparteitag mit der offenen Parteinahme für Altkanzler Helmut Kohl allein zu verantworten.

Hähle will nicht ausschließen, dass es in den eigenen Reihen "Putschisten" gibt. Er versucht es mit einer Drohung: Wenn auf die Fraktion kein Verlass sei, müsse er bei Personalfragen in Zukunft eben mit der Opposition verhandeln. Und fügt hinzu, dass sich die Frage der Neubesetzung des Landesbeauftragten auch von selbst erledigen könne. Nämlich dann, wenn kein geeigneter Kandidat mehr gefunden wird.

Ralf Hübner

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