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Politik: Zu Recht gegen Rechte

Der Generalbundesanwalt darf bei Verdacht fremdenfeindlicher Taten ermitteln

Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe wird attackiert, weil sie die Ermittlungen im Falle des lebensgefährlich verletzten Deutsch-Äthiopiers an sich gezogen hat. Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) nennt die Entscheidung von Generalbundesanwalt Kay Nehm „voreilig“. Denn es sei noch längst nicht erwiesen, dass die Tat rechtsextremistisch motiviert war. Früher wurde die Bundesanwaltschaft bisweilen wegen des Gegenteils angegriffen.

So etwa 1992, als in Lichtenhagen Häuser brannten. Der Mob schaute den Molotow-Werfern stundenlang zu, wie sie ihre Brandsätze in die eingeschlagenen Fenster warfen. Die vietnamesischen Heimbewohner konnten sich nur durch einen glücklichen Zufall übers Dach retten. Der damalige Generalbundesanwalt Alexander von Stahl tat nichts. Erst als es bei Brandanschlägen in Solingen und Mölln 1992 und 1993 Tote gab, schaltete sich die Bundesanwaltschaft ein. Aber bei Brandanschlägen auf Asylbewerberheimen blieb man passiv. Zuständig blieben die örtlichen Staatsanwaltschaften. Es sei nicht ersichtlich, dass die Taten dazu bestimmt gewesen sein sollen, die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, hieß es in Karlsruhe.

Tatsächlich kann die Bundesanwaltschaft als Staatsanwaltschaft des Bundes nur bestimmte Ermittlungsverfahren an sich ziehen. Zuständig ist sie für die Aufklärung von Spionagefällen und Straftaten krimineller oder terroristischer Vereinigungen. Rechtsextreme oder ausländerfeindliche Gewalttäter handeln aber meist nicht aus Organisationen heraus, die Täter sind nicht in festen Strukturen organisiert. Bei solchen Straftaten ist die Bundesanwaltschaft laut Gesetz nur zuständig, wenn die innere Sicherheit der Bundesrepublik gefährdet wird. Das wurde bei den fremdenfeindlichen Übergriffen aber lange verneint.

Die Bundesanwaltschaft wechselte ihre Linie erst später. Der Anlass war Eggesin. Fünf Jugendliche verfolgten zwei Vietnamesen und traten die am Boden Liegenden beinahe tot. Die Bundesanwaltschaft zog den Fall erstmals an sich, obwohl es keine Toten gab. Die Angriffe auf Leib und Leben von Ausländern seien bestimmt und geeignet, ein Klima der Angst zu erzeugen und schädigten das Ansehen der Bundesrepublik in den Nachbarstaaten. Das war die neue Begründung. Der Generalbundesanwalt hieß Kay Nehm, unter seinem Namen wurden die fünf Jugendlichen vor dem Oberlandesgericht Rostock angeklagt. Ob das allein seine Initiative war oder die damals neue Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) es leid war, dass man die Karlsruher Ermittler „zum Jagen tragen“ musste, ist unklar. Die Straftäter erhielten langjährige Jugendstrafen. Der Bundesgerichtshof urteilte später, dass Nehm das Verfahren zu Recht an sich gezogen hatte.

Mit diesem Grundsatzurteil sah man die Kompetenzfrage geklärt. Nun startet Schönbohm den Gegenangriff. Folgt man dem Minister, müsste erst die örtliche Staatsanwaltschaft ermitteln, ob der lebensgefährliche Angriff auf Ermyas M. fremdenfeindlich motiviert war. Nehm müsste sich hinten anstellen. Dagegen setzt sich der Generalbundesanwalt zur Wehr. Dennoch stehen Nehm wohl schwere Wochen bevor. Er will über die laufenden Ermittlungen nicht öffentlich berichten, schon um die Beweislage nicht zu verschlechtern. Von Brandenburg aus werden dagegen Einzelheiten über die Alkoholisierung des Tatopfers bekannt, die nur aus hoher Quelle stammen können. Mit solchen Mitteilungen erhalten die Beschuldigten indirekt Tipps, was und wie sie in Zukunft aussagen. Ermyas M. ist Nehms letzter großer Fall. Ab Ende Mai ist der Generalbundesanwalt pensioniert.

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