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Politik: Zu viele Absolventen, zu wenig Aufträge

Eine gemeinsame Fakultät: Die TU Berlin krempelt die Ausbildung für Bauingenieure und Architekten um

Die Krise der Bauwirtschaft hat nun auch die TU Berlin erreicht: Es gibt zu viele Absolventen – und zu wenig Aufträge. Unter dem Druck des sich verschärfenden Arbeitsmarktes für Bauingenieure, Architekten und Planer wollen die beiden zuständigen Fakultäten künftig enger aneinander rücken: Die Lehrpläne für die Bachelor und Masterstudien in diesen drei Branchen sollen gemeinsame Module, beispielsweise zum Baurecht und zur Genehmigungspraxis, aufnehmen. Dadurch wollen die Dozenten ihren Schützlingen breitere Einsatzmöglichkeiten eröffnen.

Bislang galten die drei Berufe als eng abgezirkelte Spezialdisziplinen. „Es reicht heute nicht mehr, entweder ein Spezialist für den Entwurf oder für die technische Konstruktion eines Gebäudes zu sein“, erläutert Rudolf Schäfer, Dekan der Fakultät Architektur, Umwelt und Gesellschaft der TU. „Die Anforderungen haben sich gewandelt. Immer mehr Architekten übernehmen Aufgaben in der Baubetreuung, immer mehr Ingenieure reden bei wichtigen Investitionsentscheidungen mit.“

Nicht nur im Lehrplan gehen die Fächer zusammen: Die Fakultäten werden zum 1. April fusionieren. Die Zahl der Studenten soll von derzeit rund 5550 in den kommenden Jahren um ein Viertel sinken, bei den Architekten gar um vierzig Prozent. „ Andernfalls produzieren wir Überkapazitäten, für die überhaupt kein Markt mehr vorhanden ist“, prophezeit Schäfer. In der neuen Riesenfakultät werden 55 Professuren vereint. Das bedeutet aber auch eine Schrumpfung: Die beiden Fakultäten hatten bislang zusammen 69 Lehrstühle.

Auch für die Planer von Städten, regionalen Entwicklungsgebieten oder landschaftlichen Freiräumen wird es eng: Bislang fanden sie vor allem in den Kommunen Lohn und Brot. Doch der Geldmangel der öffentlichen Hand ließ die Zahl der offenen Stellen rapide schwinden. Heute kommen sie zunehmend bei großen Bauträgern wie Handelsketten, Warenhäusern oder Banken unter, die eigene Planungsstäbe unterhalten. Sie fällen beispielsweise wichtige Vorentscheidungen, wenn es um alte Industriegebäude oder brachliegende Flächen der Bahn geht.

„Die Anforderungen an diese Berufsgruppen sind vielfältiger geworden“, bestätigt Wilma Glücklich vom Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin. Der Verein schreibt jährlich den renommierten Schinkelwettbewerb aus, in diesem Jahr zum 150. Mal. Der als „Oscar“ der deutschen Architektur- und Planerszene bezeichnete Preis zielt auf komplexe Projekte, etwa zur Wiederbelebung und Neugestaltung des alten Güterbahnhofs zwischen den S-Bahnhöfen in Pankow und Heinersdorf. „Wir beobachten außerdem, dass sich in den vergangenen Jahren zahlreiche neue Aufgaben für die Architekten und Bauingenieure ergeben haben“, sagt Wilma Glücklich. „Ein wichtiges Thema ist der Bevö lkerungsrückgang und damit einhergehend der Umbau unserer Städte, die derzeit massiv schrumpfen – nicht nur in Deutschland.“

So werden von den Absolventen heute neben den technischen und gestalterischen Fähigkeiten vor allem Kenntnisse über soziale und wirtschaftliche Folgen einer Bauentscheidung erwartet: „Nehmen Sie den Bevölkerungsrückgang in Marzahn“, nennt die Stadtplanerin ein Beispiel. „Dort hat die Wohnungsbaugesellschaft schon Plattenbauten abgerissen, um den Mieterschwund aufzufangen.

Die Hälfte der Kosten, die die öffentliche Hand dabei aufwendet, geht in den notwendigen Rückbau und die Anpassung der Infrastruktur. Das sind nicht nur Wasserrohre und Rohrleitungen, sondern auch die Verlagerung von Kitas und Schulen. “ Die andere Hälfte der immensen Summen fließt in die Aufwertung der entstandenen Lücken, beispielsweise durch Grünflächen oder Sportanlagen. „Das kann weit reichende wirtschaftliche Folgen haben“, ergänzt Rudolf Schäfer. „Denn wenn die Leute wegziehen und ein Quartier verwahrlost, rutschen die Vermögenswerte für Immobilien und Grundstücke weg.“

Die TU hat auf die neuen Anforderungen reagiert. Sie bietet Berufspraktikern ein Weiterbildungsstudium im Management von Immobilien und Flächen an. Zwei Jahre lang immer am Wochenende lernen die gestandenen Architekten, Planer, Bauingenieure, Juristen, Betriebswirte und Geografen, wie man Standorte und Projekte am besten entwickelt und die komplexen Prozesse führt. Immerhin blättern die Interessenten dafür 10000 Euro hin, die Nachfrage übersteigt die 30Plätze im Jahr bei weitem.

Unterstützt wird dieses Konzept vom Verein „Agenda 4“, in dem sich zahlreiche Unternehmen gefunden haben, um dieses noch junge Feld der Baubranche an die Hochschulen zu tragen. Nach dem Abschluss bietet der Verein den Absolventen ein dichtes Netzwerk und neue Berufschancen. „Wir wollen neben den klassischen Praktika die Schaffung von Trainee-Programmen anregen, um die Studenten besser vorzubereiten“, sagt Rudolf Schäfer.

In dem Verein ist auch die Aurelis GmbH vertreten. Sie verwaltet die Liegenschaften der Deutschen Bahn, insgesamt 30 Millionen Quadratmeter. Aurelis hat in diesem Jahr erstmals einen Preis ausgeschrieben, der wirtschaftlichen Erfolg versprechende Machbarkeitsstudien für Brachflächen in Hamburg, Duisburg, Darmstadt und Nürnberg abverlangt. „Dass die Architekten gute Entwürfe abliefern, davon gehen wir aus“, sagt Schäfer.

In Berlin laufen die Fäden der Ausschreibung zusammen, die TU koordiniert den Wettbewerb bundesweit. „Die neue Qualität dieses Wettbewerbs ist die ökonomische und die nachhaltige Nutzbarkeit der Ideen“, sagt Schäfer. Startschuss der Ausschreibung ist am 8. April, die Preise werden im November verliehen.

Mehr Informationen im Internet: www.aurelis-award.de

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