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Politik: Zukunft – auf Wiedervorlage

Der Bundestag debattiert den Etat . Die Wachstumszahlen und die Wahl könnten ihn zur Makulatur werden lassen

Von Antje Sirleschtov

In den letzten beiden Sitzungstagen vor der Bundestagswahl widmet sich der Bundestag einem Thema, über das noch zu reden sein wird: dem Bundeshaushalt für das kommende Jahr. Dass der Etat, den Finanzminister Hans Eichel (SPD) einbrachte, in der vorliegenden Form nicht zum Gesetz werden wird, war bereits vorher klar. Und das liegt nicht nur daran, dass nach dem Prinzip der Diskontinuität Gesetze, die in einer Amtsperiode nicht mehr verabschiedet werden, in der nächsten Periode noch einmal eingebracht werden müssen. Die eigentlichen Ursachen für absehbare Veränderungen am Etatentwurf liegen in den unsicheren Grundannahmen: Eichel will seinem Konsolidierungsziel entsprechend die Ausgaben im Jahresvergleich um 0,5 Prozent auf 246,3 Milliarden Euro senken, die Neuverschuldung um 5,6 Milliarden Euro zurückführen und dadurch mit 15,5 Milliarden Euro den niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung erreichen. Dafür allerdings muss die Wirtschaft im nächsten Jahr um 2,5 Prozent wachsen.

Zwar hielt Eichel selbst auch am Donnerstag, dem ersten Tag der Debatte, noch an diesem Ziel fest. Doch er räumte bereits ein, dass ein möglicher Irak-Krieg die Erwartungen schnell Makulatur werden lassen können. „Wenn der Ölpreis explodiert, ist der Aufschwung gefährdet.“ Doch selbst ohne diesen außenpolitischen Einfluss schwinden die Chancen für ein so hohes Wirtschaftswachstum. Auch das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) hat nun seine Konjunkturprognosen für Deutschland deutlich reduziert. Die Wirtschaft werde im nächsten Jahr nur um 1,8 Prozent wachsen, schätzen die Kieler Forscher, deren Prognosen immer optimistischer als die anderer Institute waren. Bislang hatte das Institut 2,5 Prozent für realistisch gehalten.

Und so geriet die Debatte im Bundestag angesichts der vielen Unwägbarkeiten denn auch eher zu einer Generalabrechnung im Wahlkampf als zu einem faktenorientierten Ausgaben- und Einnahmenstreit. Eichel bezeichnete die Wahlprogramme von Union und FDP als „Fortsetzung der Kohlschen Schuldenpolitik“ und stellte fest, dass es am 22. September zu einer „klaren Entscheidung zwischen zwei Alternativen“ kommen werde. Auf der einen Seite Haushaltskonsolidierung und Schuldenabbau, auf der anderen die Neuverschuldung. Die angestrebte Finanzierung der Flutschäden, so Eichel, „zeigt exemplarisch, wo es langgeht“. Im Gegensatz zur SPD, die die zweite Stufe der Steuerreform verschieben will, plädiert die Union für die Verwendung des Bundesbankgewinns.

Der Fraktionschef der Union und Finanzpolitiker im Kompetenzteam, Friedrich Merz, widersprach dem Minister. Er warf Eichel vor, eine „in allen Punkten negative Bilanz“ vorzuweisen und sich mit „falschen Zahlen“ über den Wahlsonntag retten zu wollen. Dazu verwies Merz auf vier Millionen Arbeitslose und 40 000 Unternehmenskonkurse in diesem Jahr. Merz griff Eichel vor allem mit der Behauptung an, er verletze in diesem Jahr den europäischen Stabilitätspakt. Auch der FDP-Haushaltspolitiker Günter Rexrodt kritisierte die mögliche Überschreitung der Defizitmarke von drei Prozent. Deutschland, so Rexrodt, „ist das Schlusslicht in Europa“.

Ein Vorwurf, den der Grünen-Finanzexperte Oswald Metzger in seiner letzten Bundestagsrede an Union, aber vor allem an die FDP, zurückgab. Sie hätten 16 beziehungsweise 29 Jahre Zeit gehabt, Steuern zu senken, Schulden abzubauen und die Wirtschaft anzukurbeln. Nun, sagte Metzger, „ist mit vollen Hosen gut stinken“.

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