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Politik: Zum Äußersten entschlossen

Blair legt ein Dossier über Saddams Waffenarsenal vor – und schwört sein Kabinett auf einen Krieg ein

Von Matthias Thibaut, London

In der Dringlichkeitsdebatte des Unterhauses hat Großbritanniens Premier Tony Blair am Dienstag das irakische Waffenprogramm als eine „akute und wachsende Bedrohung“ bewertet. „Unser Argument ist ganz einfach dies", sagte Blair. „Nicht, dass wir um jeden Preis einen Militärschlag wollen, sondern dass die Gründe für eine Entwaffnung des Irak, wie sie von der UN gefordert wird, überwältigend sind.“

Zuvor hatte die britische Regierung ihr lang erwartetes Dossier über die irakischen Massenvernichtungswaffen veröffentlicht. Kriegsgegner auf den Hinterbänken des Londoner Unterhauses taten das Dossier schnell ab. Es enthalte nichts Neues, vor allem keine neuen Beweise dafür, dass Saddam eine akute Bedrohung für die Region und die Welt darstelle. Dies kritisierten auch Experten. Das Dossier enthalte „keine wirklich neuen oder überraschenden Erkenntnisse“, sagte William Hopkinson vom Institut für Internationale Beziehungen in London. Hopkinson bezweifelte auch, dass sich Bagdad tatsächlich atomwaffenfähiges Material beschaffen könnte.

Blair sagte, die Welt könne angesichts der überwältigenden Beweise nicht „mit den Schultern zucken und die Sache auf sich beruhen lassen". Großbritannien hat für die nächsten Tage eine neue UN-Resolution in Aussicht gestellt. Das Dossier und die Unterhaus-Debatte vom Dienstag hatten vor allem den Zweck, Argumente für eine kompromisslose Haltung der UN zu liefern. Dazu gehört nach britischer Überzeugung auch die Androhung von militärischer Gewalt. „Erklärungen, die nicht von einer Gewaltdrohung begleitet sind, haben bei Diktatoren nie etwas bewirkt und werden es nie tun", sagte Blair auch mit Blick auf die europäischen Partner und insbesondere den deutschen Kanzler Gerhard Schröder, der am Abend Dinnergast in der Downing Street war.

Am Montagabend hatte Blair das in der Irak-Frage gespaltene Kabinett auf eine einheitliche Linie eingeschworen. Downing Street ließ durchsickern, niemand am Kabinettstisch habe eine militärische Option ausgeschlossen, auch nicht entschlossene „Tauben" wie die Entwicklungsministerin Clare Short. Außenminister Jack Straw erklärte nach der Sitzung, die UN sei der beste und sicherste Weg für eine friedliche Lösung des Irak-Problems, schloss aber einen britisch-amerikanischen Alleingang nicht aus. „Wenn es weitere Verstöße gegen UN-Resolutionen gibt wie in der Vergangenheit, müssen wir vielleicht zu militärischen Mitteln greifen", sagte Straw.

In der bis in die Nacht dauernden Unterhausdebatte musste Blair zu verhindern suchen, dass Abgeordnete eine Abstimmung über einen Krieg erzwingen. Worauf es ihm ankommt, ist, die Drohung militärischer Gewalt so stark wie möglich zu halten. Viele Experten sind der Ansicht, dass ein entschlossenes Auftreten der internationalen Gemeinschaft ausreichen könnte, Saddam Husseins Sturz ohne Blutvergießen herbeizuführen.

Meinungsumfragen zeigen immer noch eine starke Ablehnung eines Irak-Kriegs in der britischen Öffentlichkeit. Doch ist die Zahl der Kriegsgegner laut einer Umfrage des „Guardian“ leicht zurückgegangen. Die Zahl derer, die Blair unterstützen und einen Krieg notfalls unterstützen würden, ist dagegen auf 37 Prozent angestiegen.

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