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Politik: Zum Feiern des 20. Geburtstags hat die Partei keine Zeit (Leitartikel)

Zum 18. Geburtstag gab es eine rauschende Fete.

Zum 18. Geburtstag gab es eine rauschende Fete. Endlich erwachsen! Ironisch sollte die Feier des Datums individueller Volljährigkeit die Vorurteile der Umwelt über die unordentliche Partei aufspießen - und zeigte doch bloß, wie wenig die Grünen selbst sicher waren, die politische Pubertät hinter sich gelassen zu haben. Einen Wahlsieg, einen Krieg und einige Niederlagen später: Kein Witz, kein Fest, bloß Arbeit: Den 20. Geburtstag begehen sie mit einer Klausur ihrer Bundestagsfraktion.

Die letzten zwölf Monate haben die bunte Truppe mit der Sonnenblume schneller reifen lassen als die ganze Zeit zuvor. Regierungsjahre sind keine Herrenjahre. Nirgends lernt man schneller. Etwa über das Verhältnis von Prinzipien und praktischer Politik. Dass Pazifismus dem Kampf gegen das Unrecht nicht entgegenstehen darf, dass in einer Welt der Waffen Pazifismus auch heißt: Einen Krieg so schnell wie möglich beenden - das haben die Grünen in der grausamen Lehrstunde mit dem Namen Kosovo eingesehen. Widerstrebend, aber nachhaltig. Gerade sind sie dabei, eine kaum weniger tief greifende Lektion zu absolvieren: Der kleine Partner in einer Koalition mit einem ungleich größeren Partner kann nur einen kleinen Teil seiner Vorstellungen durchsetzen. Und auch dies: Er kann dabei Recht und Gesetz nicht außer Kraft setzen.

Deshalb dauert der Atomausstieg ziemlich lange. Und die Grünen werden auch dies einsehen. Widerstrebend, aber nachhaltig. In diesen Lernprozessen und durch sie hat sich die Partei verändert. Früher hat sie jene verloren, die nicht mehr mitkonnten: Zunächst die rechten Ökologen wie Herbert Gruhl, dann die linken Systemveränderer wie Jutta Ditfurth. Wer blieb, hat die Wandlung persönlich mitvollzogen, besser: hat sie der Partei vorgelebt. Das gilt nicht nur für Joschka Fischer, sondern auch für einen wie Jürgen Trittin. Mögen sie taktische wie persönliche Differenzen pflegen - im Willen zur Macht steht keiner dem anderen nach.

Das ist die nachhaltigste Garantie für Pragmatismus. Deshalb ziehen die beiden auch nicht nur (nach erheblichen Friktionen) beim Atomausstieg an einem Strang, sondern bei der Reform der eigenen Partei. Mühsam nähert sie ihre Struktur jener der anderen politischen Gruppierungen an. Eine Beitragserhöhung wird die nach dem Willen ihrer Mitgründerin Petra Kelly "Anti-Parteien-Partei" ein wenig besser in die Lage versetzen, sich einen normalen Parteiapparat zuzulegen, ohne den eine Partei nicht arbeiten kann. Bald werden auch Mandatsträger Parteiämter bekleiden dürfen. Wenn nicht alles trügt, dürfen als erste die Berlinerin Renate Künast und der Schwabe Fritz Kuhn, beides gewiefte Routiniers, beweisen, dass dies die Grünen wirklich voranbringt. Mag sein, einer, der sie besonders laut rief, ist dann nicht mehr so glücklich über diese Geister: Joschka Fischer. Denn die Entwicklung der Grünen ist auch eine zum Vizekanzler-Wahlverein gewesen.

Heute steht der grüne Riese Fischer kaum weniger absolut für seine Partei als einst der schwarze Riese Kohl für die CDU. Soll die Parteireform einen Sinn haben, gehört dazu die Abnabelung von ihrem Patriarchen. Soll sie einen Sinn haben, muss im Pragmatismus des Regierungshandelns auch der "grüne Faden" deutlicher erkennbar werden. Welcher der vielen möglichen Grüntöne aufscheinen soll - dazu hat sich die Partei den mühseligen Prozess einer Programmdebatte verordnet. Schon wieder: Lernen. Diesmal: Ökologie in eine Zeit zu übersetzen, die von Ökologie wenig wissen will; grundsätzlich zu sein, ohne (wieder) unrealistisch zu werden. Und nebenbei noch Wahlen bestehen. Zeit zum Feiern bleibt da wirklich nicht.

Thomas Kröter

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