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Politik: Zur Halbzeit im Rückstand

Auf dem Gipfel in Johannesburg sind erst zwei Vereinbarungen getroffen worden – jetzt müssen die Minister helfen

Von Dagmar Dehmer

In der Nacht zum Freitag hat die Europäische Union in Johannesburg die Alarmglocken geläutet. Zur Halbzeit des Weltgipfels für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg gelang den Delegierten aus mehr als 180 Ländern nur in zwei Punkten eine Einigung auf konkrete Schritte samt einem Zeitplan. Zum einen sollen die gefährdeten Fischbestände der Weltmeere erhalten und stabilisiert werden. Bis 2015 sollen die besonders überfischten Arten wieder bewirtschaftet werden können – aber nachhaltig. Das heißt: Es soll nicht mehr Fisch gefangen werden, als zur gleichen Zeit nachwachsen kann. Allerdings ist dieser Zeitplan mit dem Zusatz „wenn möglich“ versehen, was den Wert der Einigung wieder in Frage stellt. Die zweite Einigung betrifft die Chemikalienpolitik: Bis 2020 sollen die negativen Auswirkungen von Chemikalien auf die Gesundheit und die Umwelt „vermindert werden“.

Deshalb hat die Europäische Union am späten Donnerstagabend eine ultimative Forderung gestellt: Die 14 Punkte, die in eine Sackgasse hinein verhandelt worden seien, müssten alle auf die Ministerebene gehoben werden. Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) lobte kurz nach seiner Ankunft am Freitag, dass die EU einen neuen Ton von Dringlichkeit in die Verhandlungen gebracht habe. „Das ist nicht bei allen auf Zustimmung gestoßen“, sagte er.

Was kein Wunder ist, denn die Liste ist erschreckend lang. Die Minister sollen sich über die Rio-Prinzipien, die vor zehn Jahren beim Erdgipfel bereits beschlossen worden sind, auseinander setzen, weil einige Staaten, vor allem die USA, diese Prinzipien in Johannesburg gerne wieder zurückverhandeln würden. Dabei geht es etwa um das Vorsorgeprinzip oder das Prinzip der differenzierten Verantwortung – damit ist gemeint, dass die Industriestaaten, die einen weit größeren Anteil an der Umweltverschmutzung haben und für die Unterentwicklung vieler Länder zumindest mitverantwortlich sind, auch ein größeres (finanzielles) Engagement zeigen müssen. Die Minister sollen aber auch für den Streit um Marktzugang, wettbewerbsverzerrende Subventionen, eine Rahmenvereinbarung über Unternehmensverantwortung, die Globalisierung, den Klimawandel, den Stellenwert der Menschenrechte, den Zugang zu Trinkwasser, globale öffentliche Güter wie Boden, Wasser, Luft sowie für erneuerbare Energien eine Lösung finden – also eigentlich für alles.

Was zunächst lächerlich klingt, hat aus Jürgen Trittins Sicht durchaus einen Sinn. Denn mit Vorlagen, „zu denen die Minister nur noch ja oder nein sagen können, kommt man nicht weit“. Wenn in Johannesburg noch ein Erfolg möglich sein soll, müssen die Minister politische Pakete schnüren können, die unter Umständen nur wenig miteinander zu tun haben. In seinem ersten Gespräch mit der amerikanischen Verhandlungsführerin Paula Dobriansky brachte Trittin jedoch eine mögliche Kompromisslinie für den Energiestreit ins Gespräch. Die EU will erreichen, dass bis 2010 ein weltweiter Anteil von 15 Prozent erneuerbarer Energien erreicht wird. Im Gespräch mit Dobriansky schlug Trittin offenbar vor, die freiwilligen Entwicklungspartnerschaften zur Förderung erneuerbarer Energien und die jeweils zu Hause bereits laufenden Programme zusammenzuzählen und daraus ein globales Ziel zu entwickeln.

Die deutschen Nicht-Regierungs-Organisationen (NRO) warnten vor einem Scheitern des Gipfels. Hubert Weinzierl, der Vorsitzende des Deutschen Naturschutzrings“ verlangte von Deutschland, in Johannesburg eine Vorreiterrolle einzunehmen. Das sei die „letzte Chance, das Ruder herumzureißen“.

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