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Politik: Zur rechten Zeit

Abdul Rahmans Rettung hilft Italiens Premier Berlusconi im Wahlkampf

Auf die Papst-Audienz am Donnerstag musste Silvio Berlusconi verzichten; angesichts des italienischen Wahlkampfs hatte der Vatikan darum gebeten, Italiens Ministerpräsident möge nicht mit den anderen Häuptern der Europäischen Volkspartei bei Benedikt XVI. aufkreuzen. Aber die fast zeitgleich bekannt gewordene, entschlossene Rettungsaktion für Abdul Rahman, in Afghanistan wegen seines Übertritts zum Christentum mit der Todesstrafe bedroht, war ohnehin mehr wert – in den Augen des Papstes sowieso, in den Augen der Wähler bestimmt auch. Rahman bedankte sich beim Oberhaupt der Katholiken, Benedikt habe sich für sein Leben eingesetzt.

Eine Maschine des italienischen Militärgeheimdienstes Sismi hat Rahman nach Rom gebracht; hier sorgt an einem geheimen Ort die Polizei für seine Sicherheit. Und innerhalb weniger Stunden wurde ihm als religiös Verfolgtem der Asylstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention zuerkannt. Ein eigenes Asylrecht kennt Italien nicht; das hat zuletzt Berlusconis Regierung hintertrieben – unter anderen Gianfranco Fini als Chef der rechtskonservativen Alleanza Nazionale, der jetzt, zum „überparteilichen“ Außenminister geworden, die Rettung Rahmans eingefädelt hat.

Ein verfolgter Christ in den Fängen blutrünstiger Islamisten – dieses Klischee passt nahtlos in das Weltbild, das einige rechte Kreise im Wahlkampf zeichnen. Für sie ist der gelungene Einsatz für Rahman der erste Sieg im „Kampf der Kulturen“.

Stärker als jede ideologische Betrachtung ist in Italien in aller Regel das menschliche Mitleid, und deswegen hätte Rahman wohl auch abseits jedes Wahlkampfs in Italien Zuflucht gefunden. Flüchtlingen begegnet diese Gesellschaft, jedenfalls im Zentrum und im Süden des Landes, weniger mit Abwehr als mit einem christlich-karitativen Ansatz – und verzichtet dabei großzügig auf die Unterscheidung zwischen „Wirtschaftsflüchtlingen“ und Verfolgten. Sogar die massenhafte Zwangsabschiebung von Bootsflüchtlingen, die Innenminister Pisanu vornehmen lässt, wird mit Menschlichkeit begründet: Die Abschreckung solle, so heißt es, verhindern, dass sich noch mehr „arme Teufel“ (Pisanu) auf die lebensgefährliche Schipperei übers Mittelmeer einlassen.

Wer dann einmal im Land ist, hat es geschafft. Die weitaus meisten tauchen aufgrund ungeregelter oder ineffizienter Aufnahme- oder Abschiebeprozeduren erst einmal in die Illegalität ab. Gesellschaftlich geduldet oder wenigstens hingenommen, werden sie vom Staat immer wieder in großen Schwüngen legalisiert.

Bei der letzten Kampagne dieser Art haben sich vor zwei Wochen mehr als 500 000 „Illegale“ um die 170 000 staatlich ausgeschriebenen Aufenthaltsgenehmigungen beworben. Alle diese Menschen leben bereits im Land, und alle haben eine Arbeitsstelle. Sonst hätten sie ihren Antrag gar nicht abgeben dürfen.

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