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Londoner Polizei im Einsatz - bald mit Kameras.

© AFP

Zur Überwachung von Bürgern und Beamten: Britische Polizisten sollen Kameras tragen

Nach Unmut bei Polizeieinsätzen macht Großbritannien nun den Test: Polizisten sollen Kameras am Körper tragen, die Einsätze aufzeichnen. Das soll Bürgern und Beamten helfen.

Britische Bobbys könnten bald zusätzlich zu Trillerpfeife, Knüppel, Handschellen und Funkgerät auch routinemäßig noch eine kleine Kamera an der kugelsicheren Weste tragen. Das schöne dabei: Das Gerät, das Videoaufnahmen aufzeichnet oder per Funk an die Zentrale sendet, soll alle überwachen – Bürger und Polizei. „Es wird die Polizei unterstützen und die Öffentlichkeit schützen“, sagt Staatsminister Damian Green, als er nun für den bisher umfassendsten Probelauf solcher „Body Cameras“ 1,4 Millionen Pfund bewilligte. „Kameras sind wirkungsvoll beim Sammeln von Beweisen. Sie können auch helfen, Beschwerden gegen die Polizei zu untersuchen.“

Noch deutlicher wurde Londons Bürgermeister Boris Johnson, der auch Aufseher von Scotland Yard ist, Synonym für den Polizeiapparat der Hauptstadt. „Kameras werden das Verhalten ändern“, glaubt der Konservative. Er meinte damit die Polizisten. Kameras würden sie zwingen, bei ihren Durchsuchungsaktionen ohne konkreten Verdacht, die vor allem von Schwarzen in London als demütigend empfunden werden, wenigstens Respekt und Höflichkeit zu zeigen.

Massive Vertrauenskrise

Grund der Kameraversuche ist die massive Vertrauenskrise der Polizei, nicht nur wegen des Todes des mutmaßlichen Gangsters Mark Duggan durch eine Polizeikugel. Duggans Tod führte 2011 zu schweren Straßenunruhen in London und anderen Städten. Als eine Jury den Todesschuss der Polizei unlängst für „rechtmäßig“ erklärte, obwohl Duggan seine Waffe schon weggeworfen hatte und unbewaffnet war, stieg die Stimmung wieder auf den Siedepunkt. Polizeichef Bernard Hogan-Howe: „Wir haben viel Arbeit vor uns, das Vertrauen vor allem bei schwarzen Londonern wieder herzustellen.“ Auch deshalb will er ab 1. April alle waffentragenden Beamten mit Kameras ausrüsten.

Schwarze Londoner, die über Schikanen und Zumutungen durch eine angeblich rassistische Polizei klagen, sind aber vielleicht nicht die Einzigen, die solche Kameras herbeisehnen.

Auch dem früheren Kabinettsminister Andrew Mitchell hätte eine Polizeikamera vielleicht manches erspart. Vor über einem Jahr bestand er darauf, sein Fahrrad durch die große Autopforte der Downing Street in London schieben zu dürfen. Aus der kurzen Auseinandersetzung wurde Großbritanniens schwerster Polizeiskandal seit Jahren. Polizisten warfen dem Minister per Protokoll vor, er habe sie „Plebs“ genannt. Mitchell verlor seinen Job.

Falscher Zeuge

Doch das Protokoll war vermutlich gefälscht, ein falscher Zeuge wurde aufgeboten, Polizeigewerkschafter verbreiteten Lügen über Gespräche mit dem Minister. War alles ein Komplott der Polizeigewerkschaft, um sich für Budgetkürzungen der Konservativen zu rächen? Die Polizei war so diskreditiert, dass Innenministerin Theresa May zum Erstaunen der Nation laut darüber nachdachte, ob die Polizei einen „Ehrenkodex“ brauche, der sie verpflichtet, Recht und Wahrheit zu respektieren.

Testgebiet Plymouth

Plymouth gehört zu sechs Testgebieten, wo nicht nur bewaffnete Beamte, sondern auch Streifenpolizisten in bestimmten Bezirken versuchsweise mit Kameras ausgerüstet werden. Plymouth machte 2006 Schlagzeilen, als dort schon einmal Polizeibeamte testweise mit Kameras auf Streife geschickt wurden. In sechs Monaten gab es keine einzige Beschwerde gegen einen mit einer Kamera ausgerüsteten Polizisten. Beamte mussten 30 Prozent weniger Zeit mit dem Anfertigen von Gerichtsprotokollen verschwenden. Wegen Rowdytum und Trunkenheit festgenommene Personen gaben alles gleich von selbst zu, wenn sie hörten, dass die Festnahme aufgezeichnet wurde.

Überall Minikameras

Der Test wurde aus Geldgründen und wegen technischer Probleme mit der Aufbewahrung der Aufzeichnungen abgebrochen. Aber inzwischen dringen die Minikameras in alle Lebensbereiche vor. Skifahrer zeichnen mit Helmkameras Pistenfahrten auf, Londoner Radfahrer setzen sie in ihrem Kleinkrieg mit Autofahrern ein, Busse filmen Autofahrer, die ihnen die Busspur versperren. Ein britischer Afghanistansoldat wurde wegen Mord an einem Talibankämpfer verurteilt, der von seiner Helmkamera aufgezeichnet wurde.

„Wir sind ermutigt durch die beachtlichen Fortschritte der Technologie seit unserem ersten Projekt“, sagte der Polizeichef von Plymouth, Andy Boulting. „Aber wir wissen, wie komplex die Einführung von Technologie im Rechtssystem ist.“

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