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Politik: Zurück in die Zukunft

Der wiedergewählte FDP-Chef Westerwelle nennt Rot-Grün einen Irrtum – und fordert Revanche

Von Robert Birnbaum

Ein Reizwort aus seinem Redemanuskript hat er weggelassen. Die „neue Wende“ hat Guido Westerwelle lieber doch nicht ankündigen wollen. Dabei hätte es gut gepasst als Überschrift für den Kurs, den der FDP-Chef für die Fahrt zum Wahlsieg 2006 ausgibt. Vielleicht zu gut, wegen der Anleihe bei Helmut Kohls altem Wahlkampfschlager. Denn auch so wird bei diesem FDP-Parteitag mitten im NRW-Wahlkampf klar genug, woher der freidemokratische Wind in den nächsten eineinhalb Jahren wehen soll. „Rot-Grün ist ein historischer Irrtum“, ruft Westerwelle in die Kölner Messehalle. Vor allem, hätte hinzugefügt gehört, was den Teil Grün angeht. FDP-General Westerwelle hat einst ohnmächtig mit ansehen müssen, wie die Grünen die FDP von ihrem Stammplatz als Dritter im Parteiengefüge verdrängt haben. Jetzt sieht der FDP-Vorsitzende die Zeit reif für die Revanche. „Deutschland erneuern“ heißt das amtliche Parteitagsmotto. Das heimliche Nebenmotto aber lautet: Zurück in die Zukunft.

Am Donnerstag sitzt der große alte Teil der FDP-Vergangenheit auf der Parteitagsbühne in der ersten Reihe: Walter Scheel, Otto Graf Lambsdorff, der gerade erst genesene Hans-Dietrich Genscher mit einem dicken Pflaster auf der Stirn, dazwischen Henry Kissinger als Ehrengast. Auf den sind sie schwer stolz, weil Kissinger noch nie bei einer deutschen Partei gesprochen hat. Das schmückt und verleiht Gewicht und illustriert nebenbei auch in der Außenpolitik den Anspruch, vom politischen Gegner mit Beschlag belegte Themengebiete zurückzuerobern. „Herr Fischer mag jahrelang beliebt gewesen sein“, höhnt Westerwelle über den visa- geschwächten Obergrünen, „durch seine Außenpolitik ist das jedenfalls nicht gerechtfertigt.“ Und wer, bitte, hat denn früher immer für Diplomatie statt Militär gestanden? „Diese Kultur der Zurückhaltung hat uns und unserem Land gut getan“, sagt der FDP-Chef. „So werden wir handeln, wenn wir in der nächsten Bundesregierung wieder Verantwortung übernehmen.“

So geht es weiter. Der Versuch, die FDP als Bürgerrechtspartei wieder zu beleben – „Wir werden in einer neuen Regierung dafür sorgen, dass der Abbau von Bürgerrechten rückgängig gemacht wird“ – gehört zu diesem Feldzug zur Rückeroberung verlorenen Terrains. Westerwelle versucht sogar den Grünen das Ökologische streitig zu machen. Anklagend hält der FDP-Chef ein Blatt Papier in die Luft: eine Antwort der Bundesregierung auf eine FDP-Anfrage, betreffend seltene Vögel, die in Windkraftflügeln starben. „Das ist die reinste Shredderanlage!“ ruft der frischgebackene Liberal-Öko. Der Parteitag freut sich.

Noch mehr freut er sich, wenn der Chef auf die Gewerkschaften prügelt. Formal nimmt Westerwelle seine Schelte ein bisschen zurück: Man müsse, um gehört zu werden, gelegentlich provokativ auftreten. Er habe auch nichts gegen starke Gewerkschaften. Nur gegen Gewerkschaftsfunktionäre, die „funktionärische Politik“ betrieben. Also solche, die nicht den Arbeitnehmern helfe und den Arbeitslosen schon gar nicht, sondern nur den Funktionären selbst. Weshalb die Mitbestimmungsmacht in die Betriebe verlagert werden müsse. Wie überhaupt die Funktionäre, die Verbände, der Staat sich zurückziehen sollen. Dann, Westerwelle beschwört es zum Schluss noch einmal, werde alles gut.

„Aufschwung ist möglich, Zukunft ist möglich, ja, ein Wirtschaftswunder ist möglich!“ Ein Wirtschaftswunder? „Für Liberale ist Optimismus Pflicht!“, ruft Westerwelle. Was die nähere Zukunft der FDP in Nordrhein-Westfalen angeht, gibt es für solchen Optimismus ja sogar Grund. Was die Zukunft des Parteivorsitzenden Westerwelle angeht, damit auch.

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