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Politik: Zuwanderung: Spiel ohne Grenzen

Ist alles also nur Theater, haben wir es nicht immer schon gewusst? Die Union empört sich im Bundesrat über Klaus Wowereit.

Ist alles also nur Theater, haben wir es nicht immer schon gewusst? Die Union empört sich im Bundesrat über Klaus Wowereit. Roland Koch, der Heftigste, hat das Pech, dass die Kameras zu lange auf ihn halten. So kann man sein freches, selbstzufriedenes Grinsen am Ende seines Ausbruchs gut studieren. Nun räumt Peter Müller sogar offen ein, dass der schrille Aufschrei der Union nach Wowereits Würdigung des Brandenburger Abstimmungsverhaltens, tatsächlich einstudiert gewesen sei. Die Empörung war also gespielt, resümiert Claudia Roth, die Grünen-Vorsitzende, mit gespielter Empörung.

Zum Thema Online Spezial: Streit um die Zuwanderung Schwerpunkt: Der Eklat im Bundesrat und die Folgen Fotostrecke: Tumult in der Länderkammer Umfrage: Soll Rau das Gesetz unterschreiben? Kaum ist die Abstimmung beendet, hält es Roman Herzog für eine gute Idee, seinem Nachfolger im Schloss Bellevue unmissverständliche Handreichungen zu geben, wie er selbst, als Verfassungsrichter, die Lage beurteilt, und wie er selbst, wäre er noch Bundespräsident, entscheiden würde. Unterdessen drangsaliert die Union, die sich um ihr Verfassungsrecht betrogen fühlt, den Bundespräsidenten: Der dürfe das Zuwanderungsgesetz nicht gegenzeichnen, da dieses nur um den Preis des Verfassungsbruchs zustande gekommen sei. Daraufhin empört sich Rot-Grün, wie denn die schlechten schwarzen Verlierer dazu kämen, den Bundespräsidenten derart unter Druck zu setzen. Der wisse schon, was er zu tun habe, schließlich sei das Gesetz verfassungsgemäß im Bundesrat verabschiedet worden.

Gerhard Schröder ist sich sogar ganz besonders sicher, dass man auf Johannes Rau vertrauen darf. Für ihn besteht an der Verfassungsfestigkeit des Zuwanderungsgesetzes gar kein Zweifel. Der Mann muss wissen, wovon er spricht, immerhin hat er in seiner Zeit als niedersächsischer Ministerpräsident eindrucksvoll bewiesen, wie man mit den Mitteln des Verfassungsbruchs regiert. Gleich dreimal musste der Verfassungsgerichtshof drastisch eingreifen, weil Schröder auf Mehrheit setzte. Und auf das, was für ihn die Urkraft ist: Macht.

Wowereit derweil gibt die verfolgte Unschuld. Noch am Tag, an dem das Gegenteil bekannt wird, will er der Öffentlichkeit weismachen, nur getan zu haben, was ihm seine Verwaltung aufschrieb - deren Chef, was der Bundesratspräsident in diesem Fall für mitteilenswert hält, auch noch der CDU angehöre. Was für ein Theater!

Der Respekt vor Personen und Institutionen, Regeln des Anstands und unserer Verfassung bleibe auf der Strecke, so kann man es allenthalben scheinheilig hören. Gleichfalls empörend sei, wie flott der Union das große Wort vom Verfassungsbruch über die Lippen gehe. Ob es aber im Sinne des Grundgesetzes ist, dieses zur Beurteilung politischer Vorgänge am besten gar nicht erst als Maßstab heranzuziehen? Ob nur der ein artiger Demokrat ist, der sich jeglicher Meinungsäußerung zu unserer Verfassung und ihrer Wirklichkeit enthält - weil deren Erörterungsmonopol beim Bundesverfassungsgericht und dem Bundespräsidenten liegt? So jedenfalls argumentieren heute jene, die gestern noch, mit Blick auf den CDU-Spendenskandal, Helmut Kohl mit größter Selbstverständlichkeit mit dem Vorwurf traktierten, er habe seinen Amtseid gebrochen - und damit auch die Verfassung.

Das alles ist ein schlimmes Schauspiel, keine Frage. Aber es ist nicht schlimmer als manch böse Inszenierung im Streit um die Ostverträge, um Wiederbewaffnung, Westintegration oder Nato-Nachrüstung. Politik ist nie nur Kampf um die Sache, sondern immer auch einer um die Macht. In anderen Kulturkreisen führt dies zu Bürgerkrieg, bei uns bloß zu Schmierentheater. Wenn das kein Trost ist.

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