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Politik: Zwangsarbeiter-Entschädigung: Nächtliche Pendeldiplomatie auf den Fluren - Die entscheidenden Stunden im US-Finanzministerium

In den Büros mit den Zimmernummern 3326 und 3327 des amerikanischen Finanzministeriums ist am Montag Geschichte gemacht worden. In zähen Verhandlungen über den ganzen Tag haben die Unterhändler Stuart Eizenstat für die USA und Otto Graf Lambsdorff für Deutschland hier schließlich den Durchbruch erzielt, der ein Debakel für die Zwangsarbeiterentschädigung und wohl auch nachhaltigen Schaden für die deutsch-amerikanischen Beziehungen verhindert hat.

In den Büros mit den Zimmernummern 3326 und 3327 des amerikanischen Finanzministeriums ist am Montag Geschichte gemacht worden. In zähen Verhandlungen über den ganzen Tag haben die Unterhändler Stuart Eizenstat für die USA und Otto Graf Lambsdorff für Deutschland hier schließlich den Durchbruch erzielt, der ein Debakel für die Zwangsarbeiterentschädigung und wohl auch nachhaltigen Schaden für die deutsch-amerikanischen Beziehungen verhindert hat.

"Rechtssicherheit" lautete die Zauberformel, die so schwer mit konkretem Inhalt zu füllen war. Gemeint ist damit, dass die deutschen Unternehmen, die wenn auch zögerlich fünf Milliarden Mark in die Stiftung zur Zwangsarbeiterentschädigung einzahlen, vor amerikanischen Gerichten nicht noch einmal zur Kasse gebeten werden können. Eine Erklärung der US-Regierung an die Gerichte, dass solche Klagen nicht im Interesse des Landes liegen und deshalb abgewiesen werden sollten, lag schon lange auf dem Tisch. Aber sie reichte den Deutschen noch nicht, und dies drohte das ganze Abkommen nach 15 Monaten Verhandlungen platzen zu lassen.

Reden und Feilschen

Das wollten die Unterhändler mit allen Mitteln verhindern, und so begann eine Art Pendeldiplomatie zwischen dem Büro von Eizenstat (3326) und dem Beratungszimmer der Deutschen (3327). Es wurden Angebote gemacht und zurückgewiesen, Interpretationen versucht und verworfen, es wurde geredet und gefeilscht.

Die Stunden zu früh zur Pressekonferenz geladenen Journalisten konnten das Hin und Her wie auf einer Bühne verfolgen. Mal kreuzte Lambsdorff den fünf Meter breiten Flur im Südflügel des historischen Treasury-Gebäudes gleich neben dem Weißen Haus. Dann zog die ganze US-Delegation hinüber zu den Deutschen, dann ging es wieder umgekehrt. "Wir haben den Deutschen noch etwas zu arbeiten gegeben", lautete zwischendurch die Auskunft eines US-Diplomaten. Um 19.19 Uhr Ortszeit war es dann schließlich so weit. In einer kleinen Prozession zogen Lambsdorff und Eizenstat, der deutsche Wirtschaftsvertreter Manfred Gentz und die übrigen Delegationsmitglieder zu den Journalisten, die im "Diplomatischen Empfangsraum" des Finanzministers warteten.

Und so trocken auch die juristische Thematik des Tages war, so emotional fiel dann doch im Gefühl des endlich erreichten Erfolges die Bewertung aus. Ein historisches Abkommen sei erreicht, sagte Eizenstat, der Lambsdorffs "heroischen Einsatz" würdigte. Der einstige FDP-Vorsitzende und Wirtschaftsminister äußerte sich dankbar "dass ich Gelegenheit hatte, meinem Land, unseren Beziehungen und den Nazi-Opfern zu dienen."

15 Monate verhandelt

Aber was hat nun den Durchbruch ausgemacht? "Es ist schwer, einem Dritten etwas zu erklären, was man selber kaum verstanden hat", lautete die Antwort Lambsdorffs. Und Eizenstat musste zugeben, dass man sich zwar auf alle Grundsätze verständigt habe. Die genauen Formulierungen müssten allerdings noch ausgearbeitet werden. Dazu war am Montag nach zehn Stunden keine Zeit und Energie mehr. Weil Lambsdorff seinen Rückflug nach Deutschland ohnehin hatte streichen müssen, blieb aber immerhin ein freier Abend für ein italienisches Abschiedsessen. "Schließlich haben wir unser Licht nicht unter den Scheffel zu stellen", meinte der Graf. 15 Monate Verhandlungszeit sei für derart schwierige Probleme nicht zu viel.

Holger Schmale

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