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Politik: Zwangshochzeit in Unity

Obama und Clinton zeigen sich pompös einig – sonst könnten sie auch nicht voneinander profitieren

Der unbedarfte Betrachter hätte leicht auf die Idee kommen können, es ginge um eine Hochzeit. Der Bräutigam etwas jung und leger gekleidet, die Menge der Gäste ziemlich groß, aber die Zuneigung der Zukünftigen war offensichtlich. Arm in Arm kamen sie auf die Bühne, tauschten Blicke und Worte der Bewunderung miteinander. Doch wer am Freitag genau hinhörte in Unity, New Hampshire, der ahnte, dass es sich trotz der pompösen Bilder doch nur um eine politische Zwangsehe handelt zwischen Barack Obama und Hillary Clinton. „Wir wollen Hillary“, riefen ein paar Zuschauer tapfer, als ihre Heldin sprach – „es ist vorbei“, zischte jemand.

Als Hillary Clinton am 7. Juni ihre Niederlage im Vorwahlkampf der Demokraten gegen Barack Obama eingestand, war unklar, ob sie die beleidigte, verletzte Verliererin spielen würde, die den Erfolg ihres Parteikollegen gegen den Republikaner John McCain zu gefährden drohte. Stattdessen erwies sie sich inzwischen als würdevolle Unterlegene, in Worten und in Taten. In dieser Woche stellte sie Obama, dessen Sprecher am Samstag ankündigte, er werde im Sommer auch Europa und Deutschland besuchen, ihren 300 potentesten Spendensammlern vor: Ein Geschenk, das Millionen wert ist. Nun ist es an dem Gewinner, seine Hälfte des Deals einzuhalten.

Seine wichtigste Tat wird sein, Clinton dabei zu helfen, ihre gut 20 Millionen Dollar Wahlkampfschulden zügig loszuwerden. Eine Aufgabe nicht ohne Eigennutz, denn je schneller sie die Schulden vergessen kann, desto mehr Zeit bleibt ihr, um für Obama Wahlkampf zu betreiben. Und das hat der dringend nötig. Eine aktuelle, von der Nachrichtenagentur Associated Press und von Yahoo News in Auftrag gegebene Umfrage besagt, dass gut die Hälfte ihrer 18 Millionen Wähler ins Obama-Lager umgeschwenkt sind. Von den übrigen 50 Prozent neigt wiederum die Hälfte allerdings eher dazu, den Republikaner McCain zu unterstützen. Der Rest ist unentschlossen, und viele haben nach wie vor Bedenken, weil sie den jungen Senator für zu unerfahren halten. Obamas Strategen hatten Anfang der Woche intensiv damit begonnen, die Gräben zuzuschütten. Dazu gehörte die öffentliche Aufforderung Obamas, für Clinton zu spenden ebenso, wie die warmen Worte, die sein Wahlkampfmanager David Axelrod im Fernsehen offerierte. Senatorin Clinton habe sich ihr Leben lang für die Veränderung der Gesellschaft eingesetzt, sagte der nun plötzlich – nachdem Obama in den vergangenen 16 Monaten alles darangesetzt hatte, seine schärfste Konkurrentin als Teil des Washingtoner Establishments darzustellen, das es zu reformieren gelte.

Offen ist bislang, welche Rolle Bill Clinton spielen wird. Der Ex-Präsident hatte sich intensiv in den Wahlkampf seiner Frau eingemischt und einige der schärfsten Attacken gegen Obama gefahren. Der Angegriffene ließ kaum eine Gelegenheit aus, die Politik der Neunzigerjahre als eine Politik von gestern zu charakterisieren. Wenn er sich auf die Vergangenheit bezog, berief er sich auf John F. Kennedy und Abraham Lincoln, nie auf Bill Clinton. Das Ausmaß der Missgunst, die die beiden Männer füreinander empfinden, sei von den Medien übertrieben worden, sagen Berater auf beiden Seiten zwar. Was nichts daran ändert, dass sie bislang kein einziges Wort miteinander gesprochen haben, seit Hillary Clinton aufgab.

Neben den Grundsatzentscheidungen gibt es eine Reihe von nur scheinbar weniger wichtigen Details zu klären. Wie viel von Clintons Wahlkampfhelfern wird Obama übernehmen, welche Rolle soll sie auf dem Nominierungsparteitag Ende August in Denver spielen? Wird er ihr für die Reise dorthin ein Privatflugzeug bestellen, oder muss sie Linie fliegen? An die größte aller Preisfragen traut sich derweil niemand heran. Es steht immer noch in Raum, ob er sie zur Vizepräsidentin macht. Die meisten Beobachter glauben daran allerdings nicht mehr, egal welch harmonisches Bild die beiden in Unity abgaben. Axelrod sagt derweil nur: „Das ist eine separate Angelegenheit. Sie ist klug genug, ihm den Raum zu geben, den ein Kandidat braucht, um eine Entscheidung zu fällen.“

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