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Politik: Zwei Jahre Kälte

Der Angriff auf die „Mavi Marmara“ hat Israel und die Türkei gefährlich weit auseinandergebracht.

Der israelische Angriff auf das türkische Gaza-Schiff „Mavi Marmara“ jährt sich in dieser Woche zum zweiten Mal – und die Krise zwischen den beiden ehemaligen Verbündeten Türkei und Israel verschärft sich weiter.

Zehntausende Menschen werden am Jahrestag des Angriffs vom 31. Mai 2010 an diesem Donnerstag zu einer anti-israelischen Großdemonstration im Zentrum von Istanbul erwartet. Ein Istanbuler Staatsanwalt fordert unterdessen in einer kurz vor dem Jahrestag fertiggestellten Anklageschrift lebenslange Haftstrafen für vier hohe israelische Offiziere, darunter den ehemaligen Generalstabschef von Israel. Für die türkische Regierung und große Teile der Öffentlichkeit ist der Angriff auf die „Mavi Marmara“ und der Tod von neun Aktivisten an Bord des Schiffes bei der Kommandoaktion der Israelis unvergessen. Ankara fordert eine Entschuldigung Israels, Entschädigungszahlungen an die Hinterbliebenen der Opfer sowie ein Ende der Blockade des von der radikal-palästinensischen Hamas regierten Gazastreifens. Israel lehnt die Forderungen mit dem Argument ab, die Aktion sei legitim und angesichts der Gewaltbereitschaft der Aktivisten an Bord der „Mavi Marmara“ auch angemessen gewesen.

Beide Seiten stehen sich unversöhnlich gegenüber. Die Angehörigen der Todesopfer wiesen erst vorige Woche ein Angebot Israels für eine Entschädigung in Höhe von sechs Millionen US-Dollar und eine offizielle Erklärung des „Bedauerns“ ab. Zwischen den Regierungen der beiden Länder herrscht Funkstille und tiefes Misstrauen. Statt Gesprächen gibt es neue Spannungen: Vor zwei Wochen ließ die Türkei ihre Kampfflugzeuge aufsteigen, weil ein israelisches Flugzeug angeblich illegal über dem türkischen Sektor von Zypern auftauchte.

Dabei wären enge türkisch-israelische Kontakte derzeit sicher hilfreich. In der Anklageschrift gegen den ehemaligen israelischen Generalstabschef Gabi Ashkenazi und drei weitere Ex-Offiziere heißt es, sie hätten die Befehle für den Angriff auf die „Mavi Marmara“ erteilt. Die israelischen Elitesoldaten seien an Bord des Schiffes mit schweren Waffen gegen Menschen vorgegangen, die sich lediglich mit Knüppeln, Löffeln und Gabeln zur Wehr gesetzt hätten. Zwar haben Ashkenazi und die anderen Beschuldigten nichts zu befürchten, solange sie nicht in die Türkei reisen. Doch ein Prozess in der Türkei mit einer möglichen Verurteilung würde nicht nur weitere politische Spannungen zwischen der türkischen und israelischen Regierung auslösen, sondern könnte auch internationale Haftbefehle für die israelischen Offiziere nach sich ziehen, sagte Veysel Ayhan von der Denkfabrik Orsam dem Tagesspiegel.

Israels Vize-Außenminister Danny Ayalon äußerte im Staatsfernsehen seines Landes die Hoffnung, internationaler Druck werde die Türkei dazu bringen, den Prozess einzustellen. Doch Ayalon, der vielen Türken wegen seiner öffentlichen Demütigung des türkischen Botschafters vor zwei Jahren noch ein Begriff ist, könnte sich täuschen. „Die Türkei wird in der Sache keinen Schritt zurückweichen“, sagt der Nahostexperte Ayhan. Am Ende werde Israel sich bewegen müssen, sagte der Nahostexperte weiter. Die Veränderungen in der Region durch den Arabischen Frühling hätten die Isolierung Israels verstärkt und gleichzeitig das politische Gewicht der Türkei erhöht. Deshalb werde der jüdische Staat früher oder später wohl die türkischen Bedingungen für eine Normalisierung der Beziehungen akzeptieren, schätzt der Experte.

Derzeit liegt eine Normalisierung aber in weiter Ferne. Die islamische Hilfsorganisation IHH, die vor zwei Jahren die „Mavi Marmara“ auf die Reise schickte und die an diesem Donnerstag die Istanbuler Demonstration veranstaltet, ließ keinen Zweifel daran, gegen wen sich die Veranstaltung richten wird. Ein Motto lautet: „Für die Befreiung Jerusalems.“

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