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4,3 Millionen Menschen in Deutschland haben zwei oder mehr Pässe. Foto: Bernd Wüstneck/dpa

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Politik: Zwei Pässe, ein Gefühl

Die doppelte Staatsbürgerschaft soll weg. Das ist umstritten. Wer hat die doppelte Staatsbürgerschaft eigentlich? Und wie bekommt man sie?

In Deutschland leben 4,3 Millionen Menschen mit einer doppelten Staatsbürgerschaft. Das geht aus dem Mikrozensus 2011 hervor. Bundesweit haben vor allem Polen, gefolgt von Russen und Türken die doppelte Staatsangehörigkeit. In Berlin leben 212.713 Menschen mit Doppelpass, davon knapp 65.000 aus Ländern der Europäischen Union. Knapp 40.000 Türken haben zwei Pässe. Darauf folgen Polen, Russen, Kasachen, Libanesen, Iraner, Vietnamesen, Amerikaner und Menschen aus dem ehemaligen Serbien und Montenegro.

Doppelte Staatsbürgerschaft ist umstritten

Julia T. ist in Deutschland geboren, ihre Mutter ist Polin, ihr Vater gebürtiger Schlesier. Das Antragsverfahren für ihren polnischen Pass läuft gerade. Sie sieht das pragmatisch: Der Pass helfe ihr dabei, Grundstücke zu kaufen oder Firmen zu gründen. Zwar fühlt sie sich auch polnisch, besucht ihre Familie in Danzig und mag das polnische Essen, aber „die Identität ist ja nicht gekoppelt an die Staatsbürgerschaft“, sagt die 26-Jährige. Weil Polen Mitglied der EU ist, fände sie es auch nicht schlimm, wenn sie die polnische Staatsangehörigkeit verlöre. Für Bürger von außerhalb der EU sehe sie die Abschaffung des Doppelpasses allerdings kritisch.

So sieht das auch der Türkische Bund Berlin-Brandenburg. „Wir fordern die gleichen Rechte bei der doppelten Staatsbürgerschaft für alle“, sagt Vorstandsmitglied Safter Cinar. Momentan können EU-Bürger noch beide Pässe behalten. Cinar sagt, die Türken könnten sowohl zu ihrem Heimatland loyal sein, gleichzeitig hier leben und die deutsche Staatlichkeit anerkennen. „Was ich fühle und denke, hat nichts mit meiner Staatsbürgerschaft zu tun. Den Plan, Terroristen die Staatsangehörigkeit zu entziehen, hält Cinar für Populismus: „Dadurch lassen sich diese Leute auch nicht abschrecken.“

Meiste Türken in Deutschland ohne deutschen Pass

Haben Kinder einen deutschen und einen ausländischen Elternteil, erwerben sie in der Regel automatisch beide Staatsbürgerschaften. Seit 2014 gilt das auch für Kinder, bei denen beide Elternteile ausländisch sind, die aber seit acht Jahren in Deutschland leben. Damals ist auch die Optionspflicht weggefallen, sodass Kinder, die seit ihrem 10. Lebensjahr in Deutschland gelebt haben, sich mit 18 Jahren nicht mehr für eine Staatsbürgerschaft entscheiden müssen.

Möchte ein deutscher Staatsbürger eine weitere Staatsangehörigkeit annehmen, verliert er die deutsche Staatsangehörigkeit in der Regel. EU-Bürger sind die Ausnahme. Möchten Türken die deutsche Staatsbürgerschaft erlangen, aber ihren türkischen Pass behalten, müssen sie nachweisen, dass die Aufgabe der türkischen Staatsbürgerschaft unzumutbare Nachteile bedeuten würde. Diese Option haben in den vergangenen drei Jahren jeweils lediglich 17 Prozent der eingebürgerten Türken in Anspruch genommen.

In der Türkei sind Besitz und Erbe von Land und Immobilien eng an die türkische Staatsbürgerschaft gekoppelt. Die meisten Türken – 1,5 Millionen – leben ohne deutschen Pass in der Bundesrepublik, rund 800.000 haben nur die deutsche Staatsangehörigkeit.

Janosch Siepen

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