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Freunde, Partner: Eduard Schewardnadse und sein deutscher Kollege Hans-Dietrich Genscher (rechts)

© dpa

Zwei-plus-Vier-Vertrag: Als das Zeitfenster offen war

Der 2+4-Vertrag vom 12. September 1990 war der schnelle Weg zur Einheit. Er hat aber in einer Frage den deutschen Ruf beschädigt. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Für große Dinge braucht man nicht unbedingt viele Worte. Jene Vereinbarung, mit der die deutsche Einheit besiegelt wurde und durch die Deutschland seine volle staatliche Souveränität zurückgewann, umfasst lediglich zehn Artikel und eine Protokollnotiz. Heute vor 25 Jahren, am 12. September 1990, wurde der Zwei- plus-vier-Vertrag in Moskau unterzeichnet, von den sechs Außenministern der Bundesrepublik, der DDR, Russlands, Frankreichs, Großbritanniens und der USA, den Repräsentanten also der beiden deutschen Staaten und der vier alliierten Siegermächte des Zweiten Weltkrieges.

Die beiden deutschen Staaten im Dialog mit den vier Alliierte

Dass es diesen Vertrag überhaupt gab, dass zwischen den ersten Überlegungen dazu und den Unterschriften darunter nur neun Monate vergingen, ist im Rückblick eine Sensation. Der Fall der Berliner Mauer hatte die Welt überrascht. Dass es gar zu einer schnellen Einheit Deutschlands kommen könne, erschien äußerst unwahrscheinlich, denn normalerweise wäre der diplomatische Weg der Annäherung und des Ausgleichs zwischen den ehemaligen Kriegsgegnern über eine Friedenskonferenz zu einem Friedensvertrag gegangen. Aber sowohl Bundeskanzler Kohl als auch Außenminister Hans-Dietrich Genscher waren von der Sorge getrieben, die sowjetische Bereitschaft, die DDR aus ihrem Machtgebiet zu entlassen, würde nicht lange anhalten. Vermutlich war es auch Genscher, der bei einem Ost-West-Außenministertreffen im kanadischen Ottawa im Februar 1990 die Idee einer Zwei-plus-vier-Konferenz in die Debatte einbrachte – die beiden deutschen Staaten im Dialog mit den vier Alliierten.

Dass es dazu kam, war vor allem dem amerikanischen Präsidenten George Bush zu verdanken, der die Wiedervereinigung vehement unterstützte. Hauptgegner der deutschen Einheit war nicht, wie gerne kolportiert wird, der französische Präsident François Mitterrand, sondern die britische Premierministerin Margaret Thatcher. Sie provozierte noch wenige Stunden vor der Vertragsunterzeichnung in Moskau einen Eklat, als sie – am Ende erfolglos – forderte, England müsse künftig auch in Ostdeutschland Manöver abhalten dürfen. Mit der Vertragsunterzeichnung am 12. September 1990 öffneten die beiden deutschen Staaten nicht nur den Weg zur Einheit, sie verzichteten auch ein für allemal auf Gebietsansprüche etwa gegenüber Polen.

Hartleibige Weigerung, die Hinterbliebenen zu entschädigen

Der Zwei-plus-Vier-Vertrag ersetzte eine langwierige Friedenskonferenz der ehemaligen Kriegsgegner und er entlastete das vereinte Deutschland auch von denkbaren Reparationsforderungen jener Länder, die von deutschen Truppen heimgesucht worden waren. Was sich für deutsche Staatsfinanzen als segensreich erwies, war für den deutschen Ruf nicht so gut. Mit der hartleibigen Weigerung etwa, für von deutschen Truppen verübte Massaker in Italien oder Griechenland die Hinterbliebenen zu entschädigen oder zumindest so etwas wie moralische Ausgleichszahlungen zu leisten, haben sich alle deutsche Regierungen seit 1990 keinen Gefallen getan.

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