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Politik: Zweifel am Sinn der 40-Stunden-Woche

Wirtschaftsweiser warnt vor sinkender Kaufkraft / Auch CDU-Experte gegen generelle Mehrarbeit

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Berlin - Nach der Rückkehr zur 40-Stunden-Woche in zwei Siemens-Werken streiten Experten um den Wert von längeren Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich. Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger sieht sie kritisch. „Eine Arbeitszeitverlängerung wirkt wie eine Lohnkürzung“, sagte Bofinger dem Tagesspiegel. „Das ist nicht der richtige Weg.“ Deutschland habe keine Probleme mit der Wettbewerbsfähigkeit, die im vergangenen Jahr gestiegen, nicht gesunken sei. Problematisch sei aber die Binnennachfrage. „Eine Lohnkürzung verstärkt dieses Problem noch“, kritisierte Bofinger, der Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ist. Lohnkürzungen schränken die Kaufkraft weiter ein.

Der CDU-Mittelstandspolitiker Hartmut Schauerte ist dennoch davon überzeugt, dass es in Deutschland auf mittlere Sicht flächendeckend zu längeren Arbeitszeiten kommen wird. Dies sei die „humanste Form“, die Arbeitskosten zu senken. „Ich halte nichts davon, die Nettolöhne zu kürzen“, sagte Schauerte dem Tagesspiegel. Er wandte sich aber gegen Forderungen nach genereller Wiedereinführung der 40-Stunden-Woche. Der einzig sinnvolle Weg seien Öffnungsklauseln im Tarifrecht zu Gunsten von betrieblichen Bündnissen für Arbeit. Dann könne jeder Betrieb seine beste Lösung finden. Auch die Gewerkschaften stellten sich mit Verzögerung jetzt der „schmerzhaften Einsicht“, dass die Arbeitszeitverkürzung volkswirtschaftlich der falsche Weg gewesen sei. Gleichwohl könnten in Einzelfällen auch kürzere Arbeitszeiten richtig sein.

Das Daimler-Chrysler-Vorstandsmitglied Eckhard Cordes betonte, der Konzern strebe keineswegs von vornherein an, Fertigungen von Deutschland ins Ausland zu verlagern. „Wir wissen aber auch, wie ein Kostenbild in Deutschland aussehen muss, um einen angemessenen Gewinn zu erwirtschaften“, sagte Cordes im Interview mit dem Tagesspiegel. Im Nutzfahrzeugbereich, für den Cordes zuständig ist, habe Daimler-Chrysler bewiesen, dass man in Deutschland profitabel Lastkraftwagen bauen könne. Jetzt gehe es darum, auch beim Pkw-Bau gemeinsam tragfähige Lösungen zu finden.

Im deutschen Arbeitszeitgesetz ist die 40-Stunden-Woche rechtlich ohne Probleme möglich: Geregelt ist hier nur, dass die tägliche Arbeitszeit von acht Stunden nicht überschritten werden darf – und zwar an sechs Tagen in der Woche. Rechnerisch ergibt sich daraus eine gesetzliche Wochenarbeitszeit von 48 Stunden. Unter bestimmten Bedingungen kann die Arbeitszeit sogar auf bis zu zehn Stunden am Tag verlängert werden.

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