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Losmarschiert. Verteidigungsministerin von der Leyen mit ihren Soldaten, hier in Afghanistan.

© picture alliance / dpa

Bundeswehr im Kampf gegen Terrormiliz IS: Zweifel dürfen nicht übertüncht werden

Die Regierung gibt sich gewiss, obwohl rechtliche Bedenken am Syrien-Einsatz der Bundeswehr begründet sind. Und wenn sie so sicher ist - warum hat sie gewartet? Ein Kommentar.

Es kann schnell gehen, wenn es soll. Am Dienstag um 12 Uhr 18 schickt die Regierung ihren Antrag für den Syrien-Einsatz der Bundeswehr ans Parlament, diesen Freitag wird es beschließen: Die Deutschen werden Teil einer internationalen Allianz, die jene todessüchtigen Terrorsoldaten zurückdrängen soll, von denen nicht nur Großbritannien und der UN-Sicherheitsrat wünschen, dass statt vom „Islamischen Staat“ mit dem Kürzelwort Daesch über sie gesprochen wird.

Dem einen geht es zu schnell, dem anderen zu langsam. Das spricht dafür, dass es sich um den richtigen Zeitpunkt handeln könnte. Nach den Attacken von Paris ist das Bewusstsein hierzulande gewachsen, dass wir dürfen, was wir könnten. Ein Bewusstsein, dem die Gewissheit entspricht, welche die Bundesregierung jetzt über die völkerrechtliche Legitimation ihrer militärischen Zutat nach außen kehrt; andererseits zeigt derart große Gewissheit oft, dass es gilt, kaum kleinere Zweifel zu überwinden.

Der Daesch ist, wenngleich er sich anmaßt, beides zu sein, weder ein Staat noch islamisch. Aber in seiner gegenwärtigen territorialen Expansion und seiner religiösen Perversion bedroht er den Weltfrieden. Im Antrag der Regierung ist zu spüren, wie dieser Eindruck die Interpretation der Formeln und Verträge beherrscht, die den Einsatz juristisch unterfüttern soll.

Im Mittelpunkt steht das Selbstverteidigungsrecht Iraks gemäß Artikel 51 der UN-Charta, dem der Westen beispringt. Von einer „breiten Allianz“ ist die Rede, einem „multidimensionalen Ansatz“ und der Forderung des UN-Sicherheitsrats, „alle notwendigen Maßnahmen“ zu ergreifen. Zudem gebe es neben der kollektiven die individuelle Selbstverteidigung angegriffener Staaten.

Frankreich bleibt hier ungenannt, doch die Voraussetzungen, unter denen Präsident François Hollande zu den Waffen rief, werden ausdrücklich geteilt: der Terror als bewaffneter Angriff, als Kriegserklärung und erster EU-Bündnisfall. Im Ganzen ein normatives Potpourri, das der unübersichtlichen Gefechtslage vor Ort entspricht. In einem ist der Antrag jedoch entschieden: Syrien sei ein zulässiger Kriegsschauplatz, da dessen Regierung „nicht in der Lage und/oder nicht willens ist“, die Daesch-Angriffe zu unterbinden.

Völkerrechtlich schreibt die Regierung damit eine Entwicklung fort, die sich nach dem 11. September 2001 verstärkt hat. Die territoriale Integrität von Staaten tritt zurück, wenn sie es unterlassen, terroristisches Unwesen auf ihrem Gebiet zu stoppen. So triftig dieses Konzept in Zeiten globaler Bombenleger erscheint, so sehr gerät es in Konflikt mit dem völkerrechtlichen Gewaltverbot, das nur zwei Ausnahmen kennt: die zulässige – weil eng begrenzte – Selbstverteidigung und die militärische Einmischung aufgrund eindeutigen UN-Mandats.

Beim Ersten verschwimmen im Fall Syrien die Grenzen, Letzteres fehlt ganz. Zugleich spielen solche großzügigen Deutungen Bürgerkriegsparteien in die Hände, die ihre Fronten auf die Weltgemeinschaft ausdehnen wollen. Das macht den Einsatz nicht illegitim – nur wäre es illegitim, Zweifel rhetorisch zu übertünchen.

Die Anschläge von Paris, sie erscheinen in dieser Argumentation letztlich nur als Auslöser, als Vorwand, nicht aber als Grund und Rechtfertigung für die Inmarschsetzung deutscher Soldaten. Dann aber stellt sich eine andere, eine politische Frage: Warum nicht früher?

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