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Politik: Zwischen allen Fronten

In der Heimat wächst der Druck auf Premier Blair – er stürzt sich in eifrige Nahostdiplomatie

Die Briten rätselten in den letzten Tagen, ob es einen Zusammenhang zwischen Tony Blairs hektischer Nahostdiplomatie und dem Besuch der Polizei in der Downing Street Nummer 10 am vergangenen Donnerstag gibt. Die Detektive von Scotland Yard wollten erfahren, was Blair von dem Geschäft „Versprechungen von Oberhaussitzen gegen großzügige Kredite für die Labourpartei“ wisse. Kaum waren sie gegangen, machte sich Blair über Brüssel auf Nahostreise.

Je größer das Sperrfeuer gegen den Premier zu Hause wird, desto entschlossener macht er weiter. Je mehr Labour gegenüber den Tories an Boden verliert – ihr Rückstand beträgt nun acht Prozentpunkte, so groß war er seit 14 Jahren nicht –, desto unermüdlicher regiert Blair. Und während Blair dem Nahostfriedensprozess neue Anstöße geben will, bricht zu Hause eine neue Debatte los über seine Nähe zu Bush, die „special relationship“ und den Schaden, den der Irakkrieg der britischen Außenpolitik zugefügt hat.

Mit einer Rede in Dubai ging die Nahosttour am Mittwoch zu Ende. In den Palästinensergebieten hatte Blair entschlossenere Unterstützung des Westens für den moderaten Präsidenten Abbas und baldige Gespräche zwischen Abbas und dem israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert gefordert. In Dubai verlangte er eine Allianz moderater Nahoststaaten gegen die „strategische Bedrohung“ durch den Iran und gegen Teherans wachsenden Einfluss auf extremistische Kräfte in der Region. „Wir müssen aufwachen. Diese extremistischen Kräfte führen keinen konventionellen Krieg, aber sie führen Krieg gegen uns“, sagte der Premier. Von der Einbeziehung des Iran in die Nahostdiplomatie, die Blair im November gefordert hatte, war nun nicht die Rede.

Blairs Sprecher in der Downing Street dementierte, dass der Premier sich nun mit den Amerikanern auf die Seite der Sunniten gegen die von Teheran unterstützten Schiiten schlage. Denn gleichzeitig wurde aus Washington gemeldet, Präsident Bush erwäge die Entsendung eines zusätzlichen Flugzeugträgers in den persischen Golf, um dem Iran „eine Botschaft“ zu schicken. Der Vorschlag für die Kräftedemonstration stammt nach einer Meldung des TV-Senders CBS von dem Kommandeur der US-Streitkräfte im Irak, General John Abizaid.

Blairs Rede und die Spekulationen aus Washington deuten auf eine Verhärtung der Haltung der Irakkoalitionäre gegenüber dem Iran hin. Die zukünftige Richtung der amerikanischen Irakpolitik bleibt unklar, solange Präsident Bush die Vorschläge der Baker-Kommission prüft. Saudi-Arabien scheint nun Druck auf Bush auszuüben, mit dem von Baker vorgeschlagenen Truppenabzug noch etwas zu warten. Der Staat hat Angst vor einer Übermacht der Schiiten im Irak.

Schon wird spekuliert, Bush werde alles auf eine Karte setzen und die Truppen im Irak sogar verstärken. Damit würde Bush seinen Partner Blair erneut unter Druck setzen – der irakische Vizepräsident Tarik al Haschemi spricht nun schon von „Hirnwäsche“. Blair wollte eigentlich noch vor seinem Amtsabgang im Frühsommer den Abzug der britischen Truppen aus dem Irak einleiten. Im Frühjahr wollen die Briten ihren Hauptstützpunkt Basra an die irakischen Sicherheitskräfte übergeben. Blair, so al Haschemi, habe mit ihm einen Zeitplan für die Übergabe abgesprochen. Nun habe er es sich nach seiner jüngsten Unterredung mit Bush aber wieder anders überlegt.

Eine ähnliche Analyse legte einen Tag zuvor das angesehene „Royal Institutes of International Affairs“ (Chatham House) vor: „Die Wurzel von Blairs außenpolitischem Scheitern ist seine Unfähigkeit, die amerikanische Regierung von Präsident Bush in irgendeiner signifikanten Weise zu beeinflussen – trotz der militärischen, politischen und finanziellen Opfer des Vereinigten Königreichs“, heißt es in einem kurzen, aber gehaltvollen Papier. Der scheidende Institutsdirektor Victor Bulmer-Thomas bezeichnet den Irakkrieg als einen „schrecklichen Fehler“, der Großbritannien über Jahre belasten werde. Blairs Nachfolger habe keine andere Wahl als die Distanz zwischen den Briten und den USA zu vergrößern und eine „positivere Beziehung zu Europa“ zu versuchen, bis hin zu einem Euro-Beitritt.

Blair reagierte, wie zu erwarten war, ungehalten auf den Rüffel aus der Denkfabrik. Distanz zu den USA hätte „verheerende Konsequenzen“ für den britischen Einfluss in der Welt. „Nichts geht ohne die USA“, betonte der Premier.

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