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Politik: Zwischen Leib und Leben

Dürfen Polizisten in Ausnahmesituationen foltern? Politiker und Menschenrechtler lehnen das kategorisch ab

Von

Von Hans Monath

und Jost Müller-Neuhof

Die Empfindlichkeiten sind groß. Kann es Fälle geben, in denen es der Polizei erlaubt sein muss, einen Menschen zu foltern? Am Donnerstag liefen Politiker, Menschenrechtsverbände, Richter und Anwälte Sturm gegen eine Aufweichung des in zahlreichen Gesetzen und internationalen Abkommen festgelegten Folterverbots – und gegen eine Äußerung des Vorsitzenden des Richterbundes, Geert Mackenroth. Mackenroth hatte sich im Gespräch mit dem Tagesspiegel hinter die Frankfurter Polizei gestellt: „Es sind Fälle vorstellbar, in denen auch Folter oder ihre Androhung erlaubt sein können, nämlich dann, wenn dadurch ein Rechtsgut verletzt wird, um ein höherwertiges zu retten“.

Am Donnerstag stellte Mackenroth klar, dass Folter in Deutschland verboten sei. Er hielt jedoch daran fest, dass es besondere Situationen geben mag, in denen Gewalt gerechtfertigt sein kann. Ob im Einzelfall Metzlers der Gewissenskonflikt der Polizeibeamten „als Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgrund zu werten ist“, obliege der Entscheidung des zuständigen Gerichts. Mackenroth sprach sich deutlich dagegen aus, neue gesetzliche Grundlagen zu schaffen, um solche Extremfälle zu regeln. Ein Sonderrecht für die Polizei wäre „ein völlig falsches Signal“. Die Frankfurter Polizei hatte dem mutmaßlichen Mörder von Jakob von Metzler Folter angedroht in der Hoffnung, er würde den Aufenthaltsort des Kindes verraten. Das Frankfurter Polizeipräsidium verteidigte das Vorgehen mit dem Hinweis, die Beamten hätten das Leben des Jungen retten, nicht aber ein Geständnis erpressen wollen. Dies wäre als Aussageerpressung strafbar.

„Das Folterverbot gilt absolut“, sagte indes die Generalsekretärin der deutschen Sektion von Amnesty International (ai), Barbara Lochbihler. Über Mackenroths Äußerungen sei sie „entsetzt“. Zudem wiege „die Tatsache, dass hohe Repräsentanten des Rechtsstaats wie der Frankfurter Polizeipräsident und das hessische Innenministerium die Folterdrohung öffentlich zu rechtfertigen suchen“, besonders schwer. Eine Abwägung zwischen Leib und Leben, wie Mackenroth sie für zulässig erklärt habe, sei „weder nach deutschem noch nach internationalem Recht zulässig“.

Aus der Union kam Unterstützung. Auch der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Hartmut Koschyk (CSU), unterstützte Mackenroths Vorstoß, den er allerdings nur als Plädoyer für die Androhung und nicht für die tatsächliche Anwendung von Folter verstanden haben wollte. „Ich persönlich teile die Auffassung, dass es Grenzfälle gibt, in denen man die Androhung von Gewalt rechtfertigen kann, wenn höhere Rechtsgüter wie etwa ein bedrohtes Leben dadurch geschützt werden können“, sagte Koschyk dem Tagesspiegel. Der CSU-Politiker zeigte sich skeptisch, ob Gesetzesänderungen geeignet seien, Polizisten in Ausnahmefällen das Handeln zu erleichtern, wie dies der Bund Deutscher Kriminalbeamter gefordert hatte. „Wir müssen ertragen, dass wir in Extremsituationen an Grenzfälle menschlichen Handelns stoßen.“

Deutliche Kritik am Richterbund kam auch vom innenpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz. „Es ist empörend, dass Mackenroth Folter überhaupt ins Gespräch bringt. Er sollte sofort zurücktreten“, sagte Wiefelspütz den „Stuttgarter Nachrichten“. Er begehe einen „absoluten Tabubruch“.

Wegen der Äußerungen Mackenroths ging im Kieler Justizministerium am Donnerstag eine Dienstaufsichtsbeschwerde ein. Ein Sprecher des schleswig-holsteinischen Justizministeriums erklärte, die Beschwerde gegen Mackenroth stamme aus Justizkreisen und werde vom Oberlandesgericht Schleswig bearbeitet. Der Richterbundpräsident ist Landgerichtspräsident in Itzehoe.

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