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Potsdam-Mittelmark: Gefahr ohne Schranken

Nach dem tödlichen Zugunglück in Beelitz wird über die Sicherheit an Bahnübergängen diskutiert

Beelitz - Nach dem schweren Zugunglück in Beelitz, bei dem eine Pkw-Fahrerin am 28. Oktober ihr Leben verloren hat, wird erneut über die Sicherheit an unbeschrankten Bahnübergängen ohne technische Sicherungen diskutiert. Das Unglück war kein Einzelfall. So war erst im August auch im westfälischen Espelkamp eine 74-jährige Pkw-Fahrerin getötet worden, als ein Triebwagen ihr Auto erfasste. Bei einem ähnlichen Unfall verloren Anfang September in Rieste bei Osnabrück drei Pkw-Insassen ihr Leben. Auch dort hatten die Bahnübergänge weder Schranken noch rote Blinklichter, sondern lediglich Andreaskreuze auf beiden Gleisseiten.

Es liege auf der Hand, dass nicht an jedem Bahnübergang Lichtzeichen oder Schranken errichtet werden können, sagt Franz Schilberg, der sich als Verkehrssicherheitsingenieur seit Jahren mit dieser Problematik beschäftigt. Dennoch gebe es Möglichkeiten, mit geringem Aufwand die Auffälligkeit der Bahnübergänge weiter zu erhöhen. Leider würden die deutschen Richtlinien für die Ausstattung von nicht technisch gesicherten Bahnübergängen neben Andreaskreuz, Baken und dem Gefahrzeichen „Bahnübergang“ bisher noch keine zusätzlichen Maßnahmen nennen.

Schilberg plädiert unter anderem dafür, an unbeschrankten Bahnübergängen auf der Fahrbahn auffällige Quermarkierungen in Form von Dreiecken anzubringen, um die Wartepflicht für den Straßenverkehr zu verdeutlichen. Diese sogenannten Haifischzahn-Markierungen werden bereits in vielen europäischen Ländern eingesetzt. In Deutschland würden – wie auch in Beelitz – stattdessen oft breite Randlinien den durchgehenden Charakter der Fahrbahn visuell noch verstärken, so Schilberg.

Auch Brandenburgs Verkehrsminister Jörg Vogelsänger (SPD) hat sich im Jahr 2007 – damals noch als Bundestagsabgeordneter – für solche Haifischzahn-Markierungen starkgemacht. Das Problem: Diese Markierungen sind ebenso wie eine schon oft geforderte Ergänzung des Andreaskreuzes durch ein Stoppschild nicht in der Straßenverkehrsordnung vorgesehen. Eine Änderung scheiterte bisher vor allem am Widerstand der Bundesländer. Auch Brandenburg würde eine solche Forderung derzeit nicht forcieren, sagte der Sprecher des Verkehrsministeriums, Lothar Wiegand, am Montag den PNN. „Es ist nicht erwiesen, dass mehr Verkehrszeichen und Fahrbahnmarkierungen auch mehr Sicherheit bringen“, so Wiegand.

Wie es genau zu dem Zugunglück am Beelitzer Grenzelweg kommen konnte, ist noch immer unklar. Ein Todesermittlungsverfahren wurde eingeleitet. Neue Ergebnisse würden noch nicht vorliegen, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft am Montag. Nach bisherigen Erkenntnissen hatte der Lokführer der Odeg bei der Anfahrt gesehen, dass sich der Mercedes der ortskundigen 54-Jährigen dem Übergang näherte. Daraufhin gab er ein Hupsignal ab und leitete eine Gefahrenbremsung ein, konnte eine Kollision jedoch nicht mehr verhindern. Die Pkw-Fahrerin wurde getötet, ihr achtjähriger Enkel und ein weiterer Beifahrer wurden verletzt. Der Lokführer und die Zugbegleiterin erlitten einen Schock.

Der Bahnübergang in Beelitz, an dem für den Autoverkehr eine Geschwindigkeitsbegrenzung von zehn Stundenkilometern gilt, sei vorschriftsmäßig und ausreichend gesichert, so die Einschätzung von Odeg-Geschäftsführer Arnulf Schuchmann. Grundsätzlich könne er sich jedoch gut vorstellen, dass an solchen Bahnübergängen auch zusätzliche Fahrbahnmarkierungen angebracht werden. Dafür ist jedoch eine Ausnahmegenehmigung durch das zuständige Fachministerium des Landes notwendig.

Seit vielen Jahren ist die Sicherheit an Bahnübergängen auch für den ADAC ein wichtiges Thema. Gemeinsam mit der Deutschen Bahn werde im Zuge der Kampagne „sicher drüber“ auf Veranstaltungen und in Publikationen über Regeln und Besonderheiten am Bahnübergang informiert, sagte Fachreferentin Wiebke Thormann den PNN. Seit Kampagnenstart im Jahr 2002 ist nach Angaben der Bahn die Zahl der Unfälle an Bahnübergängen deutschlandweit von 294 auf etwa 200 im Jahr 2012 gesunken. Zusätzliche Fahrbahnmarkierungen, wie sie unter anderem schon an einem Bahnübergang in Versold (Nordrhein-Westfalen) aufgetragen wurden, könnten jedoch in Einzelfällen nützlich sein, so Thormann.

Derzeit gibt es in Brandenburg rund 800 Bahnübergänge, davon sind 258 Übergänge an Nebenstrecken nur mit einem Andreaskreuz in Verbindung mit Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Schiene und Straße gesichert. „Sie werden routinemäßig dreimal pro Jahr in Augenschein genommen“, so Bahnsprecher Gisbert Gahler. Dabei würde neben den Anlagen der Bahn auch die Beschilderung auf der Straße geprüft.

Für den Beelitzer Bahnübergang hat die Stadtverwaltung mittlerweile einen Antrag bei der Verkehrsbehörde des Landkreises gestellt, dort zusätzlich ein Stoppschild aufzustellen, sagte Stadtsprecher Thomas Lähns am Montag. „Wir sollten jede Möglichkeit nutzen, die Sicherheit weiter zu erhöhen“, so Lähns.

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