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© AFP

1:2 in Wolfsburg: Dzeko schießt Hertha von der Spitze

Der Wolfsburger Stürmer trifft zwei Mal beim 2:1, die Berliner verlieren die Tabellenführung in der Bundesliga.

Späte Verlierer scheitern schon mal tragisch. Zum Beispiel Josip Simunic am Samstagnachmittag in Wolfsburg. Als der Abwehrchef von Hertha BSC ins Stolpern kam, riss er seine Kollegen gleich mit sich. Es war eine Szene von zunächst alltäglich anmutender Belanglosigkeit, die Hertha die Tabellenführung in der Fußball-Bundesliga kostete. Marcel Schäfer flankte von der linken Seite, der Ball senkte sich in den Berliner Fünfmeterraum, hoch und sanft und direkt auf den Kopf des Berliner Abwehrchefs. Doch bevor Simunic seines abwehrenden Amtes walten konnte, klappte er zusammen wie ein Taschenmesser. In seinem Schatten tauchte plötzlich Edin Dzeko auf und stieß den Ball zum 2:1 für seinen VfL Wolfsburg ins Tor.  Schon das erste Wolfsburger Tor hatte der Bosnier erzielt.

Ein paar Minuten später war Schluss vor 29 000 Zuschauern im Volkswagenstadion. Hertha ging zum ersten Mal im Jahr 2009 als Verlierer vom Platz und trat Platz eins an 1899 Hoffenheim ab. Auch der Hamburger SV kann am Sonntag im Falle eines Sieges in Leverkusen noch vorbeiziehen.

Lucien Favre hatte später alle Mühe, die Contenance zu wahren. Herthas Schweizer Trainer referierte mit zusammengekniffenen Lippen über zu viele zugelassene Torchancen und Flanken. Merde, alors! Und dann dieses Wolfsburger Siegtor, „ich denke es war Foul“, sagte Favre. Für den auf ein Leben in rhetorischen Konjunktiven konditionierten Favre gleich so ein Satz einer schweren Schiedsrichterbeleidigung. Am Ende bekam er noch die Kurve mit seiner durchaus zutreffenden Feststellung, „am Schiedsrichter hat es nicht gelegen“. Aber man kann sich gut vorstellen, wie Favre in der Nacht zu Sonntag daheim vor dem Fernseher saß und mit der Fernbedienung den DVD-Rekorder malträtierte, immer wieder hin zu der spielentscheidenden Szene in der 84. Minute. „Ein ganz klares Foul, er drückt mich mit beiden Händen runter“, sagte Simunic. Wolfsburgs Trainer Felix Magath zogt sich elegant aus der Affäre mit dem Hinweis, er habe nur gesehen, „wie Simunic plötzlich in die Knie ging“ – wie und warum, das habe er leider nicht erkennen können.

Ein Tor durch Cicero wurde aberkannt

Es war dies in einem seltsamen Fußballspiel nicht die einzige Szene, in der sich die Berliner vom Schiedsrichter ungerecht behandelt fühlten. In der ersten Halbzeit nämlich hatte Knut Kircher eine folgenschwere Szene im Wolfsburger Strafraum abgepfiffen. Cíceros Kopfball nach Patrick Eberts Eckstoß soll ein Foulspiel des Berliners Rodnei am Ex-Berliner Alexander Madlung vorausgegangen sein. Die Fernsehkamera dokumentierte einen Körperkontakt, den beim Wattepusten zum Kindergeburtstag auch die strengste Mama nicht beanstandet hätte. „Da hat der Schiedsrichter mit zweierlei Maß gemessen“, urteilte Herthas Kapitän Arne Friedrich. „Wenn er das Wolfsburger Siegtor gibt, muss er Ciceros Tor schon lange geben.“

Alle Beschwerden hatten eine berechtigte Grundlage, aber am Ende standen sie weniger als Ursache denn als Symptome einer völlig unnötigen Niederlage. Denn die Berliner hatten das Spiel nach anfänglicher Zurückhaltung sicher im Griff. Pal Dardai, Raffael und Patrick Ebert vergaben beste Chancen, „so viele hatten wir noch nie in einem Auswärtsspiel“, mäkelte Favre. Aber als Cícero seine zweite Kopfballchance Mitte der zweiten Halbzeit zum 1:0 nutzte, hätte der Sieger eigentlich nur Hertha BSC heißen dürfen. Es war eine Ausgangsposition, wie sie sich Favre für seine konterstarke Mannschaft nicht schöner hätte malen können. Doch anders als vor einer Woche wuchs Hertha nicht mit der neuen Anforderung, sondern klappte in sich zusammen wie Josip Simunic bei jener verhängnisvollen Flanke kurz vor Schluss.

Mit mehr Routine hätte Hertha wohl gewonnen

Fragen stellen sich. Wie konnten die bis dahin ideenlosen und vom Uefa-Cup-Auftritt am Mittwoch in Paris müden Wolfsburger noch einmal zurück ins Spiel finden? Wo war die hoch gelobte Berliner Innenverteidigung, als Dzeko nur zehn Minuten nach Herthas Führung aus Nahdistanz den Ausgleich köpfte? Marc Stein versuchte den Ball mit dem Fuß wegzuspitzeln, doch seine Position ist nicht das Zentrum, sondern die rechte Außenbahn. Mit ein wenig mehr Routine, Glück und Klasse (gewiss!) hätte Hertha das Spiel auch nach Dzekos erstem Tor einem angenehmen Ende zuführen können. Doch Raffael, der am Samstag so auffällig spielte wie lange nicht, drosch den Ball nach schöner Einzelleistung aus spitzem Winkel an den Pfosten.

Kurz darauf flankte Schäfer in den Berliner Strafraum, hoch und sanft und direkt auf Herthas Abwehrchef Josip Simunic. Das Berliner Verhängnis nahm seinen Lauf.

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