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Osten

© dpa

11 Freunde Freitags: Aus der Tiefe, aus dem Schacht

Blutgrätschen, Kommunisten als Trainer und Meistersterne: Was der Osten dem deutschen Fußball bringt.

1. DER TYPISCHSTE OSSI

Ohne Wende wäre Mike Werner ein graues Sternchen der DDR-Oberliga geblieben. So aber kickte der Mann mit der Frisur aus flauschiger Bürste und gletscherartigen Fransen für Hansa Rostock in der Bundesliga und gab dem Boulevard viel Futter. Schublade auf – „Ich bin ein typischer Ossi“ – Schublade zu.

2. DER HÄRTESTE TRAINER

Bernd Stange ist der Bruce Willis unter den Trainern. Die Reisefreiheit brachte ihm abenteuerliche Engagements ein in Australien und im Oman. Den härtesten Job trat er 2002 an – als Nationaltrainer des Irak. Als die Bomben fielen, verschanzte sich Stange im Hotel und blieb bis 2004. Das war noch mutiger als sein Kurzzeitjob 1991 bei Hertha.

3. DER BESTE FUSSBALLER

Wie viele Superstars hat Deutschland? Oliver Kahn ist in Japan so beliebt wie Howard Carpendale im Café Keese. Der andere heißt Michael Ballack. Den schönen Micha holte Lauterns Trainer Rehhagel 1997 einst vom Chemnitzer FC.

4. DIE VEREINTESTE FANSZENE

Hertha ist integriert wie keiner. Der Klub hat 21 Partnerstädte in Brandenburg, 77 der 403 Fanklubs kommen von dort. Wie leer wäre das riesige Olympiastadion, würden die Fans aus Ost-Berlin und Brandenburg zu Hause bleiben. Heute rufen selbst West-Berliner Hertha-Fans den Gegnern zu: „Wir kommen aus dem Osten und leben auf eure Kosten!“

5. DIE FRECHSTE VEREINSHYMNE

Wenn sie im Ostseestadion die schmissige Hansa-Hymne von den Puhdys aufdrehen, wippt jeder mit: „Wer hat die schnellsten und allerschönsten Fußballerbeine? Wen hätte manche Frau so gerne ganz für sich alleine – FC Hansa oh, oho.“

6. DER KULTIGSTE FANGESANG

„Zwei gekreuzte Hämmer und ein großes W / das ist Wismut Aue, unsere BSG / Wir kommen aus der Tiefe, wir kommen aus dem Schacht, / Wismut Aue, die neue Fußballmacht.“

7. DAS SCHÖNSTE STADION

Wer in Münchens Allianz-Arena war, will dort nie wieder hin – Parkhausarchitektur, null Stimmung! Viel kreativer ist es da in Leipzig. Die WM-Arena liegt in der alten Schüssel des Zentralstadions, die Fans gelangen über Brücken auf die neuen Tribünen. Und die paar Fans von Sachsen Leipzig machen mehr Rabatz als 66 000 Bayern-Fans.

8. DER GRÖSSTE EINKAUFSBUMMEL

Da haben sie in der H&M-Filiale in Jena gestaunt. Als sie vergangenes Jahr einen blau-gelb-weiß gestreiften Pulli verkauften, waren alle Klamotten ratzfatz weg. Seitdem rennen alle Fans vom FC Carl Zeiss in den coolen Wollpullis rum, die zufällig ihre Vereinsfarben tragen.

9. DER FRECHSTE TRAINER

Was wäre die Bundesliga ohne Ost-Trainer? Der schöne Falko Götz, der knorrige Ede Geyer und – klar – Hans Meyer. Der wird für seine kauzigen Sprüche vergöttert. Warum er in Gladbach unterschrieb? „Ich bin von Haus aus Kommunist, das heißt, ich bin von Haus aus arm!“

10. DER WICHTIGSTE DENKER

Als Nationalspieler hat Matthias Sammer fast im Alleingang den EM-Titel 1996 geholt. Jetzt plant er im DFB die Nachwuchsarbeit. Und bringt schon kickenden Kindern strategisches Denken bei.

11. DAS ÜBERFLÜSSIGSTE SPIEL

Einmal spielte die DDR gegen die BRD, jaja schon klar, bei der WM 1974. Ohne die Wende hätten die beiden Mannschaften im November 1990 aber wieder gegeneinander kicken müssen – in der EM-Qualifikation. Doch da traten die Spieler längst gemeinsam an.

12. DER STANDHAFTESTE MEISTER

Lange nach dem Umbruch rang der DDR-Dauermeister BFC Dynamo monatelang für die Anerkennung seiner Meisterschaften auf den weinroten Trikots – als Meisterstern. Der Sieg über die Zögerer vom DFB brachte dem einstigen Stasi-Klub sogar bei anderen Ostfans Respekt ein.

13. DER LÄNGSTE ATEM

Verglichen mit Bernd Schröder gehören Volker Finkes 16 Jahre beim SC Freiburg in die Rubrik Kurz-Gastspiel. Schröder, mittlerweile 65, gründete 1971 in der Betriebssportgemeinschaft Turbine Potsdam die Abteilung Frauenfußball. 37 Jahre später ist der ehemalige Torhüter von Lok Leipzig immer noch Trainer. Sechs DDR-Titeln folgten zwei gesamtdeutsche Meisterschaften, drei Pokalsiege und ein Uefa-Cup-Sieg.

14. DIE WEITESTEN AUSWÄRTSFAHRER

Pendlerpauschale – Pah! Keine andere Fanszene reist so viel wie die von Hansa Rostock: mehr als 17 200 Kilometer. Die Dortmunder sind nur 9990 Kilometer unterwegs. Verweichlichte Ossis – Pah!

15. DER DEUTSCHESTE SPIELER

Der härteste Spieler der Liga hieß nicht Bernd Hollerbach – sondern Jens Jeremies. In der Kinder- und Jugendsportschule von Dynamo Dresden lernte er die Blutgrätsche in Perfektion. Für das Ausland war der Münchner Jeremies der typisch deutsche Fußballer.

16. DIE BESTE BRATWURST

Auswärtsfahrer freuen sich immer auf Spiele im Osten. Nicht wegen des Krawalls, sondern wegen der Köstlichkeiten. In Aue gibt’s einen leckeren Nudelauflauf im Gästeblock, in Rostock die beste Wurst. 2002 erhielt der Klub daher die Auszeichnung „Bratwurstmeister“.

17. DAS LUSTIGSTE MASKOTTCHEN

Früher wurden die Fans von Erzgebirge Aue als „Schachtscheißer“ veralbert – heute heißt das Maskottchen so. So viel Humor haben nur echte Bergkumpel.

18. DAS EXKLUSIVSTE GESCHENK

Na, da hat sich Hermann Neuberger am 19. Juli 1990 bestimmt gefreut. Sein Kollege aus dem Osten, DFV-Präsident Hans-Georg Moldenhauer, schenkte dem DFB-Boss zur Verbandsvereinigung einen schmucken Trabant.

Mit Ideen von Helen Ruwald, Markus Hesselmann, Robert Ide & Philipp Köster.

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