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Sport: 180 Minuten harmlos

Die Misere des VfB Stuttgart: Die Stürmer treffen nicht

London. Auf dem Papier stand England gegen Deutschland, auf dem Spiel ein Platz im Viertelfinale der Champions League. Das konkrete Match an der Stamford Bridge aber kam einem in den ersten 45 Minuten vor wie eines dieser gänzlich ereignislosen, lustfeindlichen Scheingefechte, die nur die italienische Serie A so perfekt hinbekommt. Der VfB Stuttgart, der im Grunde nur für Konter konzipierte Bundesligist, mühte sich unter großem Aufwand vergeblich gegen einen FC Chelsea, der sich mit einem in der Premier League bisher einmaligen 8-1-1-System tief in der eigenen Hälfte verschanzte. „Noch tiefer, und sie hätten schon in der Kings Road gestanden“, lästerte die Tageszeitung „Independent“ über die Zerstörertaktik des Londoner Klubs.

In den Strafräumen passierte also nichts bis wenig; dementsprechend lange musste das Stadion auf den ersten Torjubel warten. Als die 38 000 endlich losbrüllten, hatte Schiedsrichter Kim Milton Nielsen schon eine ganze Weile abgepfiffen – der Stadionsprecher hatte den Ausgleichstreffer des FC Porto im Old Trafford verkündet. Chelsea war weiter, der ungeliebte Rivale Manchester United draußen.

Dann meldete sich eine junge, weibliche Stimme zu Wort: „Liebe Stuttgarter, der FC Chelsea möchte sich für euer Verhalten bedanken“, kam es in etwas angeknackstem Deutsch aus den Lautsprechern. Ein netter Gruß, wohl für die vorbildlichen Fans der Schwaben bestimmt. Vielleicht aber waren damit in Wahrheit die wieder einmal harmlosen Stürmer der Stuttgarter gemeint – Chelsea hatte das Weiterkommen weniger den eigenen Defensivkünsten zu verdanken gehabt als den unzulänglichen Bemühungen von Kevin Kuranyi, Cacau und Imre Szabics. Die Stuttgarter Stürmer waren während des gesamten Spiels zu keiner echten Torgelegenheit gekommen.

Die erste Champions-League-Teilnahme von Felix Magaths populärer Elf mag unglücklich zu Ende gegangen sein, mit Pech hatte das jedoch kaum etwas zu tun. „Wenn man in 180 Minuten nicht in der Lage ist, ein Tor zu erzielen, lässt sich das als Grund für das Ausscheiden heranführen”, sagte der Stuttgarter Teammanager mit feiner, britischer Selbstironie. Der Rest der Analyse war, wie so oft bei Magath, eine nur schwach kodierte Forderung nach Verstärkungen für die Zukunft. „Wir haben im Sturm viele talentierte Spieler. Aber große Talente sind noch keine reifen Spieler von internationalem Format. Wir müssen bei unserem schmalen Budget jedoch nicht traurig sein, wenn ein Spieler einen Weltmeister wie Desailly nicht umkurven kann.” Auch Torhüter Timo Hildebrand hatte das Manko erkannt. Der Mannschaft fehle im Angriff schlicht „die Erfahrung”, sagte er.

„Die Spieler reifen ja in solchen Partien und wachsen an den Gegnern. Ich denke, dass die Mannschaft ihre Leistungsgrenze weiter nach oben verschieben kann“, sagte Trainer Felix Magath und verabschiedete sich mit breitem Lächeln vom internationalen Parkett.

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