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OLY-2008-HANDBALL-GER-KOR

© AFP

27:23 gegen Südkorea: Handballer siegen nach Rückstand im ersten Spiel

Zur Halbzeit lagen sie 10:13 zurück. Doch dann rissen sich die deutschen Handballer zusammen und schlugen Südkorea zum Auftakt 27:23.

Als die Pausensirene erklang, stand Heiner Brand, bevor er sich zur Kabinenansprache begab, lange Sekunden einfach nur regungslos da. Tiefe Sorgenfalten zerfurchten seine Stirn. Ein bisschen fassungslos war der Trainer der deutschen Handball-Nationalmannschaft schon. Mit 10:13-Toren lag sein Team zu diesem Zeitpunkt gegen Südkorea zurück, mit einer solchen Leistung zum Auftakt des olympischen Handballturniers hatte der 55-Jährige nicht gerechnet. Einige Spieler hatten klar gemacht, sich olympisches Gold holen zu wollen, aber nun drohte eine Sensation. Selbst die Reaktion, die in den zweiten 30 Minuten folgte, dieser schlussendlich doch sichere 27:23-Erfolg des Weltmeister vor rund 3 000 Fans, heiterte die Stimmung des Trainers nicht wirklich auf. „Man hat der Mannschaft den Druck angemerkt. Das war ein typisches Auftaktspiel", kommentierte Brand und zog von dannen.

Man habe 30 Minuten gebraucht, um zu unterscheiden, was wichtig sei bei einem solchen Turnier und was nicht, so formulierte es Christian Schwarzer. „Deshalb ist es gut, dass ein Handballspiel 60 Minuten dauert." Der reaktivierte Kreisläufer ist erfahren, er bestritt gegen die starken Asiaten sein 315. Länderspiel bei seinem vierten Olympischen Spielen, und deshalb äußerte er auch Nachsicht für den holprigen Start. „Viele sind das erste Mal dabei", sagte der mit 38 Jahren älteste Handballer in Peking. „Wir sind jetzt im Turnier und müssen uns noch weiter steigern." Vor allem die unorthodoxe 3:3-Abwehr des Gegners hatte dem Weltmeister anfangs große Mühe bereitet: „Wir haben zwar Video geschaut. Aber so eine Spielweise kann man einfach im Training nicht simulieren", erklärte Torsten Jansen (HSV), dessen Wadenblessur offenbar der Vergangenheit angehört („am besten gar nicht darüber reden"). Auch Vereinskollege Pascal Hens, der Shooter im halblinken Rückraum, hatte nach überstandener Bauchmuskelzerrung keinerlei Probleme.

Insbesondere Torhüter Johannes Bitter (HSV Hamburg), der den schwachen Henning Fritz (Rhein Neckar-Löwen) in Minute 16 abgelöst hatte, sorgte mit seinen Paraden dafür, dass die Wende nach dem 12:15-Rückstand (36.) noch gelang: Der 25-Jährige hielt insgesamt 52 Prozent der Bälle, ein spektakulärer Wert. Dabei hatte er zunächst sichtlich mit der Nervosität zu kämpfen. „Ich habe mir vorgenommen, dies als normales Spiel anzugehen. Aber als ich einlief und die olympische Ringe sah, war ich doch etwas unruhig", räumte der 2,04m-Riese hinterher ein.

Starke Leistung nach Denkpause

Die interessanteste Pointe aber lieferte Michael Kraus (TBV Lemgo), jener Aufbauspieler, dem Brand nach der EM in Norwegen im Januar noch eine Denkpause verpasst hatte; er müsse sich auf den Leistungssport konzentrieren, kritisierte Brand damals. In der Vorbereitung hatte Brand mit vielen Aktionen des 24-jährigen Spielmachers noch erkennbar gehadert. Er holte ihn oft an den Spielfeldrand, bläute ihm ein, die Angriffskonzepte mit der nötigen Ruhe und Übersicht auszuspielen. Manchmal spiele Kraus noch „mit viel Bauch und Herz" die Angriffe aus, so drückt es Horst Bredemeier aus, der Vizepräsident des Deutschen Handball-Bundes (DHB).

Umso überraschender der Auftritt, den Kraus gegen die wuseligen Asiaten hinlegte: Er war mit sieben Toren nicht nur bester Torschütze des Teams. Der Rechtshänder bewies gleichzeitig auch, dass er gewillt ist, den zweifellos hohen Ansprüchen des Bundestrainers zu genügen: Diesmal legte er in wichtigen Szenen die nötige Übersicht an den Tag und passte den Ball zum freien Mann. „Ich fühle mich in dieser Rolle sehr wohl", sagte Kraus. Insbesondere die planvollen Aktionen des Rechtshänders fanden den Beifall des Bundestrainers, und auch die Mannschaft goutierte erkennbar die Entwicklung des Schlüsselspielers im deutschen Angriff. „Er hat gezeigt, dass er die nötige Konzentration hat, nun kommt es darauf an, dass wir alle ihm helfen, diese Konzentration auch hoch zu halten", meinte Schwarzer.

Schon im zweiten von fünf Gruppenspielen gegen Island (Dienstag, 14.45 Uhr MEZ) steht dem Weltmeister allerdings eine völlig neue taktische Aufgabe bevor: Dann wartet ein Gegner, dessen Stil der deutschen Mannschaft besser entgegenkommt. Ein weiterer Sieg, und das Minimalziel Viertelfinal-Einzug wäre schon in Sichtweite.

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