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Sport: 27. Berlin-Marathon: Der laufende Pfarrer Klaus Feierabend ist auch diesmal wieder dabei

Am Vormittag straff 25 km laufen und am Nachmittag noch in Tennis-Mannschaftsspielen mit Einzel und Doppel seinen Mann stehen - Klaus Feierabend hat dieses Pensum fast zehn Jahre lang absolviert. Er hat seit 1980 immerhin 27 Marathonläufe durchgestanden - und übrigens noch bei keinem ("Trotz mancher Schmerzen") aufgegeben.

Am Vormittag straff 25 km laufen und am Nachmittag noch in Tennis-Mannschaftsspielen mit Einzel und Doppel seinen Mann stehen - Klaus Feierabend hat dieses Pensum fast zehn Jahre lang absolviert. Er hat seit 1980 immerhin 27 Marathonläufe durchgestanden - und übrigens noch bei keinem ("Trotz mancher Schmerzen") aufgegeben. Seine Bestzeit erreichte er als 50-Jähriger mit 3 Stunden und 11 Minuten für den Klassiker über 42,195 km. So viel zu den wichtigsten sportlichen Aktivitäten des Berliners. Darf man den 66-Jährigen, der noch immer läuft und das Tennisracket bei den "Berliner Bären" in der höchsten Regionalklasse der Über-60-Jährigen schwingt, als den vielleicht "sportlichsten Gottesmann Deutschlands" sehen? "Nein, das ist sicher zu hoch gegriffen. Pfarrer, die regelmäßig laufen, gibt es beinahe wie Sand am Meer. Ich denke beispielsweise an meinen 20 Jahre jüngeren Kollegen Klaus Neumeister aus Frankfurt am Main, der schon mehr als 100 Marathonläufe in den Beinen hat und deutlich schnellere Zeiten als ich schaffte."

Dennoch gibt es Dinge, durch die Feierabend in besonderer Weise mit dem Berlin-Marathon verbunden ist. Beispielsweise durch die Tatsache, dass er seit 1985 jeweils am Vorabend des hiesigen Marathonspektakels in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche am Zoo einen ökumenischen Gottesdienst abhält. Wenn er die Kirche verlässt, steht der Cheforganisator Horst Milde schon mit geöffneter Hand da - und bekommt von Feierabend den Text seiner Predigt. Der ist dann (zumeist) dem kompletten Ergebnisheftchen beigefügt. "Die Idee dazu hatte Horst Milde. Ich glaube, er hat das mal in Frankfurt erlebt." Auch in Hamburg und Hannover gebe es die kirchliche Andacht vor dem Marathonabenteuer. Ganz speziell sei dies aber in New York. Da stünde man ab sechs Uhr, fünf Stunden vor dem Start, auf der Brücke, und in "Zelten werden Gottesdienste der wichtigsten Weltreligionen zelebriert. Das ist höchst eindrucksvoll."

Denkwürdige Erlebnisse hat ihm aber auch der Berlin-Marathon beschert. So die Bekanntschaft mit den beiden Holländern Frans Rutten und Frans Webers, die seinen Worten in der Gedächtniskirche lauschten. Rutten fiel in den achtziger Jahren dadurch auf, dass er die Strecke mit einer Drahttulpe auf dem Kopf absolvierte. Anfangs mit einer, dann mit zwei, dann mit drei. Ein beliebtes Motiv für die Fotografen. Auf die Frage, warum er das tue, sagte der Mann aus Amsterdam: "Ich werde jedes Jahr eine Tulpe mehr aufstecken. So lange, bis die Mauer fällt." 1990 aber, als diese fast wie ein Gottesgeschenk gefallen war, erschien Rutten nicht. Und bis heute nicht wieder. Sein Kumpel sagte: "Er ist krank geworden. Seelisch krank. Läuft nicht mehr und sitzt auf seinem Hausboot." Eines Tages erreichte Feierabend ein Päckchen aus Amsterdam. Darin lag Ruttens schwarzes Lauftrikot mit dem weißen Löwen. Es ist so etwas "wie eine Reliquie" für den laufenden Spandauer.

Am 10. September will Feierabend seinen 21. Berlin-Marathon in Folge unter die Füße nehmen. Allerdings mit bescheidenen Erwartungen, "mit einer Endzeit von vier- bis viereinhalb Stunden". Diese Zurückhaltung hat einen schmerzlichen Hintergrund. Im November riss ihm beim Tennis die Hauptsehne auf dem rechten Spann. Der Fuß schwoll gewaltig. Die Ursache wurde anfänglich nicht erkannt, man vermutete eine Viruserkrankung. Erst nach einer Computertomografie erfolgte im Januar die Operation. "Es schmerzt noch, aber nun habe ich wohl wieder die Substanz, um das Ziel zu erreichen."

35 Jahre lang bis 1996 war Feierabend zuständig für die Nathan-Söderblom-Kirchengemeinde (Ökumene) Spandau. Ein etwas schwergewichtiges Gemeindemitglied fragte ihn eines Tages, ob der Herr Pfarrer nicht mitlaufen wolle. "Wir haben mit zweieinhalb Kilometer die Woche angefangen. Dann wurden es bald fünf Kilometer." Der gesundheitsbewusste Pädagoge hatte bald genug, doch Feierabend fand, "das Laufen hat was", und machte weiter. Ein Nebenprodukt der laufenden Leidenschaft ihres Seelsorgers war dann zwei Jahrzehnte lang ein sonnabendlicher Lauftreff der Gemeinde mit anschließendem Büfet. Bis ihn wieder jemand aus der Gemeinde animierte, das Laufen auf eine Stunde auszudehnen, einen Halbmarathon zu probieren. "Das war ein Bursche, rund wie ein Bierfass. Aber auch ein Allroundsportler, Boxer, Schwimmer, Schlittschuhläufer." Als Feierabend, der nie als Asket oder Vegetarier gelebt hat, diesem Sportsmann weglief und 1979 den "Franzosenlauf" über 25 km prächtig durchstand, sagte er sich: "Und nächstes Jahr sind wir beim Berlin-Marathon dabei."

Gesagt, getan. Feierabend trabte auf dem alten Olympiakurs von 1936. Ein Jahr später wurde der City-Marathon mit dem Start vor dem Reichstag propagiert. Ab 1990 führte der Kurs vom Ernst-Reuter-Platz Richtung Brandenburger Tor. Da sind Feierabend wie vielen anderen Schauer den Rücken und ein paar Tränen die Wangen runter gelaufen ...

Ernst Podeswa

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