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Sport: 28. Berlin-Marathon: Letzter Anschub am Wilden Eber

Für Bodo Tümmler ist klar, wo sich die attraktivste Stelle des Berlin-Marathons befindet: Am berühmt-berüchtigten Wilden Eber, am Roseneck in Schmargendorf. Gleichbedeutend mit Kilometer 35/36 der Distanz von 42,195 km.

Für Bodo Tümmler ist klar, wo sich die attraktivste Stelle des Berlin-Marathons befindet: Am berühmt-berüchtigten Wilden Eber, am Roseneck in Schmargendorf. Gleichbedeutend mit Kilometer 35/36 der Distanz von 42,195 km. "Die kritischste Stelle für die Hobbyläufer", weiß Tümmler. "Da wird der Stoffwechsel umgestellt. Von Kohlehydratverbrauch auf Fettverbrennung. Wer darauf ungenügend vorbereitet ist, fällt körperlich und mental in ein Loch, bekommt Krämpfe oder steigt sogar aus."

Damit das möglichst nicht passiert, steht Tümmler an diesem Punkt. Und reicht mit Schülern des Schadow-Gymnasiums neben einem aufmunterndem Wort auch Wasser, Tee, Obst. Übrigens seit dem ersten Berliner Marathon vor nunmehr 27 Jahren. Für die schon gezeichneten Marathonis kneten Azubis und Lehrkräfte einer Massageschule Waden, Oberschenkel oder Schultern durch. Auch akustisch werden alle Register gezogen, um die müden Geister für die letzten Kilometer zu wecken. Die mittlerweile legendäre Sambaband, die einst ein Schlagzeuger von den Philharmonikern aus der Taufe hob, wird zunehmend von Amateurpersonal begleitet. Das versucht mittels Kochtopfdeckeln, Tamburinen oder schlicht Tröten den Fußmüden Beine zu machen. "Die Sache ist ein Selbstläufer geworden. Es hat sich rumgesprochen, dass bei uns die Stimmung besonders gut ist. Das bringt mehr Leute an unseren Verpflegungspunkt und noch bessere Stimmung."

Dass Tümmler so anschaulich über den "toten Punkt" beim Marathonlauf zu reden vermag, hat mehrere Gründe. Einer davon ist beruflicher Art. Denn der 57-Jährige unterrichtet am Schadow-Gymnasium in den Fächern Biologie/Sport. Da sind Stoffwechselvorgänge irgendwann ein Thema. Aber vor allem hat Tümmler auch reichlich eigene Erfahrungen. Im Marathon weniger. Den ist er nur einmal gelaufen. 1973 war das. "Ich hatte meine leistungssportliche Laufbahn beendet und verbrachte den Urlaub im Sommer. Weil aber die Fische so schlecht anbissen, bin ich zum Zeitvertreib durch den Wald gelaufen." Und weil er nach dem Urlaub so gut drauf war, meldete er sich, bestärkt durch seinen Verein SC Charlottenburg, für den Berlin-Marathon an. Und wurde nach 2:34 Stunden auf Anhieb 13. der zugleich gewerteten Norddeutschen Meisterschaften.

Sehnsucht nach weiteren Marathon-Ausflügen stellte sich nicht ein. "Leistungssport hatte ich zehn Jahre. Es war eine wunderschöne Zeit. Nun wusste ich auch, was es heißt, den Marathon hinter sich zu bringen." Das reichte dem Berliner. 1966 schaffte er das Kunststück, auf der Aschenbahn Europameister über 1500 m und Dritter über 800 m zu werden. Heute würde man ihn zum "Superstar" hochstilisieren. Zumal er zusammen mit Norpoth, Missala und Balke mit der heute kaum noch gelaufenen 4 x 800-m-Staffel einen Weltrekord aufstellte und 1968 in der Höhenlage von Mexiko-City als Dritter über 1500 m als einziger Europäer mit einer olympischen Medaille im Mittel- und Langstreckenbereich zurückkehrte. Heute freut er sich, "dass es mir gesundheitlich so gut geht" und läuft nur noch wenig. "Lieber benutze ich die Inline-Skater. Das strapaziert Gelenke, Bänder und Wirbelsäule viel weniger. Und ausarbeiten kann man sich dabei genauso wie beim Laufen."

In einer Chronik wird Tümmler übrigens auch als erster Sieger des Berlin-Marathon-Vorläufers geführt. 1964 gewann er auf dem Teufelsberg den SCC-Cross über 9900 m, aus dem knapp ein Jahrzehnt später der Berlin-Marathon hervorging. In dieser Zeit waren Helfer noch rar. Doch Bodo Tümmler hat seinen Job "auf der anderen Seite der Becher" nie bereut. "Eine Überlegung war, die Schüler auf diese Weise für das Laufen zu interessieren." Das habe sich "erfreulicherweise bestätigt", denn "auch diesmal laufen ehemalige Schüler von mir wieder den Marathon mit".

Ernst Podeswa

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