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Sport: 3, 2, 1 – keins

Nach dem Meisterschaftsfinale endet die Karriere von Wasserballer Alexander Tchigir bei Spandau 04.

Berlin - Alexander Tchigir pflegt derzeit eine für ihn ungewöhnliche Beschäftigung – das Rückwärtszählen. Als am Mittwoch beim ASC Duisburg das erste Spiel des Best-of-Five-Finals um die Deutsche Wasserball-Meisterschaft des gastgebenden Herausforderers gegen Rekordmeister Spandau 04 begann, da hieß es für den Weltklassekeeper in Diensten der Berliner „noch maximal fünf“. Nach dem souveränen 13:7(5:0, 3:3, 3:3, 2:1) reduzierte sich das auf „noch vier“. Gemeint ist die Zahl der ausstehenden Spiele bis zu Tchigirs Karriereabschied vom Wasserball. Wahrscheinlicher allerdings ist nach dem Auftakt die Prognose „noch zwei“, denn exakt so viele Siege stehen für die Wasserfreunde aus, um den Meistertitel zum 32. Mal seit 1979 zu gewinnen. Gelingt das, wird der gebürtige Moskauer dabei 14 Mal im Kasten gestanden haben.

Bei Normalform der Spandauer wird für „Tchaga“ die einzigartige Laufbahn am kommende Wochenende in Berlin enden. Denn die 04er haben in der Finalserie zweimal in Folge Heimrecht (Samstag, 16 Uhr, und Sonntag, 13 Uhr, jeweils Forumbad im Olympiapark) und können alles klarmachen. „Danach ist Schluss“, sagt Tchigir und überlegt: „Komisch stelle ich es mir schon vor, wenn es dann plötzlich nicht mehr heißt, am nächsten Tag ist um soundsoviel Uhr Training.“ Der 43-Jährige wechselte Anfang der 90er vom ZSKA Moskau in die Bundesliga und spielt seit 1998 bei den Wasserfreunden. Am 4. Dezember 1997 wurde er in Deutschland eingebürgert und bestritt bald darauf sein erstes Länderspiel. Inzwischen sind es knapp 400, vorausgegangen waren bereits 344 für die Sowjetunion, GUS und Russland. Internationale Medaillen hat er nur mit der alten Heimat gewonnen – jeweils Bronze bei der EM 1991 (UdSSR), Olympia 1992 (GUS) und WM 1994 (Russland).

Mit Deutschland gelang ihm Gleiches nicht. Am dichtesten dran war er mit der DSV-Auswahl bei der EM in Eindhoven in diesem Frühjahr, als man als Fünfter vor allem dank Tchigir das beste Resultat seit 17 Jahren schaffte. „Das wäre eine gute Schlusspointe gewesen“, sagt er. Stattdessen aber gab es eine andere, ziemlich bittere. Beim Olympia-Qualifikationsturnier in Edmonton (Kanada) kurz darauf verpasste die Auswahl von Bundestrainer Hagen Stamm das London-Ticket. Auch Tchigir konnte es trotz zahlreicher Glanzparaden im entscheidenden Match gegen Mazedonien nicht verhindern. Einige internationale Titel hat der Keeper aber trotz deutscher Absenz auf dem Treppchen dennoch gewonnen. So wurde er mehrfach ins All-Star-Team bei Championaten gewählt, 2007 bei der WM mit einem Sonderpreis als bester Torhüter gekürt. „Ich kann keine nachlassende Qualität bei Tchaga feststellen. Er könnte von mir aus bis zur Rente weitermachen“, hat Stamm noch vor Kurzem gesagt.

Mit 11 Jahren hat Alexander Tchigir mit dem Wasserball begonnen, jetzt hört er zumindest als Aktiver auf Leistungsebene auf. „Irgendwann muss man es ja wohl mal tun“, meint er etwas ratlos auf die Frage nach dem Warum, wo er doch nach wie vor der Beste in Deutschland und einer der Stärksten weltweit ist. Wie es weitergehen soll „nach dem Wasserball“, auch darüber hat Tchigir momentan noch nicht die Zeit, in Ruhe nachzudenken. Hauptberuflich engagiert er sich in mehreren Wirtschaftsaktivitäten, natürlich vor allem mit Russland. Sportlich kann er sich auf jeden Fall ein Trainerengagement vorstellen, „wenn der deutsche Wasserball mich braucht, bin ich da“. So „richtig ernsthaft“ sei er diesbezüglich aber noch nicht angesprochen worden. Das sollte man schnell nachholen, denn Alexander Tchigir fühlt sich nach eigenen Worten „nicht wie ein Mittvierziger, sondern wie 23“.

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