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Sport: Absprung erst am Abend

Bei der Vierschanzentournee wird ein neuer Terminplan diskutiert – mit einem Finale unter Flutlicht

Bischofshofen. Vor mehr als 50 Jahren soll bei der Abschlussfeier der Vierschanzentournee in Bischhofshofen eine seltsame Idee aufgekommen sein. Die Nacht war bereits fast vorüber und das Denkvermögen der Skispringer durch Alkohol bereits beeinträchtigt, als plötzlich ein kurioser Vorschlag im Raum stand: Wir machen ein Revanchespringen – jetzt und sofort, ohne Sprungrichter. Tatsächlich sollen die Springer um fünf Uhr morgens noch einmal auf die Paul-Ausserleitner-Schanze geklettert sein und sich in die Nacht hinuntergestürzt haben. Wie das funktioniert haben soll – ohne Licht, aber mit Alkohol – ist nicht überliefert. Wahrscheinlich verhält es sich mit dieser Geschichte aus der Vorzeit der Vierschanzentournee wie mit mancher Anekdote: Die eine Hälfte ist Wahrheit, die andere Dichtung.

Wahr jedoch ist, dass das legendäre Nachtspringen von Bischofshofen eine Wiederholung erfahren könnte. Nicht aus alkoholischen, sondern aus kommerziellen Gründen. „Wir können in Innsbruck an einem Donnerstagabend springen“, sagt Peter Schröcksnadel. Der Präsident des österreichischen Skiverbandes möchte in Zukunft bei der Vierschanzentournee ein Flutlichtspringen in Innsbruck durchführen. Das hätte für ihn zwei Vorteile. „Wir wären dann in der Prime Time im Fernsehen“, sagt Schröcksnadel. Und das abschließende vierte Springen in Bischofshofen könnte, was ebenfalls viele Fernsehzuschauer brächte, immer an einem Sonntag stattfinden. Und nicht wie heute in Bischhofshofen (13.45 Uhr, live auf RTL) an einem Montag. Die Qualifikation am Sonntag für die Entscheidung musste übrigens wegen heftigen Schneefalls abgebrochen werden.

Bisher war es so, dass das letzte Springen immer am 6. Januar stattfand. Als Folge von Kommerzialisierung und Internationalisierung der Vierschanzentournee könnte in den kommenden Jahren der Tourneekalender neu geschrieben werden. „Der Dreikönigstag ist nur für einen Bruchteil der Nationen ein Feiertag“, sagt Christian Knauth, Marketing-Direktor des Weltskisverbandes Fis. Nur in Österreich und Bayern hat die Bevölkerung heute frei, in allen anderen Ländern müssen die Menschen heute arbeiten – und können nur in den seltensten Fällen vor dem Fernseher sitzen.

Eine Terminänderung würde auch der Fernsehsender RTL begrüßen, der für die Übertragungsrechte für fünf Jahre insgesamt 70 Millionen Euro an den Deutschen Skiverband überweist – und trotz guter Quoten sein Geld über die Werbung nicht wieder hereinspielt. Der Grund sei der Einbruch der Werbewirtschaft, sagt RTL-Informationsdirektor Hans Mahr. „Wir gehen davon aus, dass wir im Jahr 2005 kostendeckend sind." Womöglich findet dann bereits das Abschlussspringen in Bischhofshofen an einem Sonntag statt. „Nur das Neujahrsspringen am ersten Januar ist fix“, sagt Christian Knauth. Wenn der sechste Januar als fester Termin aufgegeben wird, könnten alle anderen drei Springen großzügiger um den Neujahrstag herum gruppiert werden. Dann müsste die Tournee nicht wie in diesem Jahr in zehn Tagen durchgezogen werden. „Etwas mehr Ruhe für die Springer wäre gar nicht schlecht“, sagt Österreichs Sportdirektor Toni Innauer. Bei der aktuellen Tournee verzichtete man auf eine Terminänderung, weil das dritte Springen auf einen Samstag fiel, was ebenfalls viele Zuschauer brachte.

Noch steht in Innsbruck keine Flutlichtanlage, doch das könnte sich ändern. „Wir haben eine Anlage vorgesehen und könnten schnell bauen“, sagt Schröcksnadel. Der ÖSV-Präsident gehört zu den Modernisierern bei der Vierschanzentournee. „Man muss die Zeichen der Zeit erkennen, sonst überholt sie einen.“ Der Dreikönigstag wäre nur eine weitere Tradition, von der man sich bei der Vierschanzentournee trennen könnte. Doch es gibt auch Traditionalisten, die den Zeiten hinterhertrauern, als die Tournee noch nicht im Zeichen des Geldverdienens stand. Der altgediente Pressechef Klaus Taglauer nannte den Fernsehsender RTL im Gespräch mit der „FAZ“ einen Moloch, weil der so viel Aufwand betreibe. Und manchmal gerät auch der Sport mit der modernen Zeit in Konflikt. Der deutsche Bundestrainer Reinhard Heß kritisierte in der „Welt“ das Fernsehen: „Als in Garmisch-Partenkirchen sechs Springer über die Juryweite gesprungen sind, hätte man verkürzen müssen – aber dann hätte es wohl Probleme mit der TV-Übertragung gegeben."

Die Tradition hat es bei der Tournee immer schwerer. Auch ein spontanes Nachtspringen unter Alkoholeinfluss wird es nie mehr geben. Die gemeinsame Abschlussfeier ist schon längst abgeschafft worden.

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