zum Hauptinhalt

Adrian Ramos im Interview: "Natürlich kennt man Hertha bei uns"

Adrian Ramos spielt seit 2009 für die Hertha und ist derzeit bester Torschütze. Im Interview spricht der Kolumbianer über Derbys, sein Faible für Marcelinho und das Trikot von Patrick Ebert.

Señor Ramos, am Samstag spielen Sie mit Hertha BSC gegen Osnabrück.
Schwieriger Gegner, schwieriger Name.

Können Ihre Freunde in Kolumbien etwas damit anfangen? Mit Osnabrück, Paderborn oder Ingolstadt? Alles Gegner von Hertha BSC in der Zweiten Liga.

Ich denke mal, mit Osnabrück kann dort keiner was anfangen. Aber wenn ich mit meinen Freunden telefoniere, dann fragen sie mich nicht nach den Gegnern, sondern nur, wo wir stehen und ob wir aufsteigen. Das ist das Wichtigste.

Haben Sie zu Hause schon die Rückkehr in die Bundesliga vermeldet?

Abwarten! Im Moment sieht es sehr gut aus, wir stehen kurz vor dem Aufstieg. Vor der Saison gab es viele Leute, die uns das nicht zugetraut haben. Es hieß, wir hätten nicht die richtige Mentalität für die Zweite Liga, weil wir nicht kämpfen könnten. Ich glaube, wir haben alle eines Besseren belehrt. Die letzte Saison war nicht einfach. Es gab früh einen Trainerwechsel und sportlich lief es nicht gut. Irgendwann waren viele Spieler verunsichert. Die Angst, Fehler zu machen war größer als der Mut, etwas zu riskieren. Jetzt haben wir eine andere Mentalität.

Und was machen Sie persönlich in der nächsten Saison?

Da spiele ich hoffentlich mit Hertha in der Bundesliga. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

Vor anderthalb Jahren sind Sie von America Cali zu Hertha BSC gekommen. Haben sich Ihre Freunde gewundert, dass Sie nach Deutschland und nicht etwa nach Spanien oder Italien gegangen sind?

Nein, Hertha ist in Kolumbien keineswegs unbekannt. Ich kannte den Verein auch schon vorher.

In Kolumbien kennt man Hertha BSC?

Natürlich! Wir haben dort einen Fernsehsender, der die Bundesliga zeigt. Außerdem habe ich Hertha früher immer wegen Marcelinho verfolgt. Ein großer Spieler und in Südamerika sehr bekannt.

Ihr Lieblingsspieler?

Nein. Ich habe ihn immer sehr gern gesehen. Mein Idol ist aber Faustino Asprilla. Für mich ist Asprilla der beste kolumbianische Spieler aller Zeiten, noch vor Carlos Valderrama. Ich war neun Jahre alt und habe die Spiele der Nationalmannschaft am Fernseher verfolgt. Asprilla, Valderrama, Rincón oder Valencia – das war wunderbarer Fußball. 1993 gab es ein 5:0 in Buenos Aires gegen Argentinien, das ist bis heute unvergessen. Diese Mannschaft hat den Menschen in Kolumbien viel Freude bereitet.

Kolumbien war das letzte Mal 1994 bei einer WM-Endrunde. Wem haben Sie 2010 in Südafrika die Daumen gedrückt? Gibt es da eine südamerikanische Solidarität?

Erst einmal finde ich, dass Deutschland im gesamten Turnier großartig gespielt hat. Aber im Halbfinale war Spanien eben ein kleines bisschen besser. Und was meine persönliche Sympathie betrifft: Ich bin totaler Brasilien-Fan. Natürlich nur, wenn Kolumbien nicht spielt.

Bei der U-23-Weltmeisterschaft 2003 in Finnland haben Sie im Halbfinale 0:2 gegen Brasilien verloren. Ihr heutiger Mitspieler Ronny saß damals bei Brasilien auf der Bank. Kannten Sie sich damals schon?

Nein. Aber als Ronny nach Berlin kam, hat er mich angesprochen: Hey, ich kenne dich doch von der WM in Finnland. Wir haben dann im Internet alte Fotos rausgesucht, und tatsächlich: Der eine auf dem Mannschaftsfoto war der junge Ronny! Wir haben viel gelacht.

Ihr Mitspieler Alfredo Morales hat einen peruanischen Vater. Er sagt, er spüre auf dem Fußballplatz seine Latino-Identität.

Da hat er recht.

Dann erzählen Sie uns doch bitte mal, was diese Identität ausmacht.

Spaß am Spiel ist uns ganz wichtig. In Südamerika wird Fußball mit mehr Freude gespielt, in Europa geht es dagegen etwas ernsthafter zu. Das Spiel ist viel körperbetonter, aber auch schneller. Vor allem im Vergleich zu Kolumbien. Dort wird der Ball erst angenommen, und dann nach drei, vier Berührungen weitergespielt. Hier hat man nicht so viel Zeit, das Tempo ist höher.

Versuchen Sie, den europäischen Stil in Ihr Spiel zu integrieren, wenn Sie für Kolumbien spielen?

Ja, aber wir haben dort vorher auch schon versucht, schneller zu spielen als in der Liga. Unser Nationaltrainer legt großen Wert darauf, dass wir ein bisschen europäischer spielen. Schon dafür hat sich der Wechsel nach Berlin gelohnt.

Vor ein paar Wochen haben Sie mit Kolumbien in Madrid gegen Spanien gespielt. Ihr Gegenspieler war Sergio Ramos von Real Madrid. Haben Sie die Trikots getauscht – Ramos gegen Ramos?

Ha, lustige Idee! Tut mir leid, aber das hab ich wohl versäumt. Ich bin eh keiner, der andere Trikots sammelt.

In der kolumbianischen Nationalmannschaft spielen Sie mit der Nummer 16, in Berlin mit der 9. Hätten Sie lieber wieder die 16? Oder die 10, der Traum eines jeden Südamerikaners?

Nein, nein, meine Lieblingsnummer ist die 20, damit habe ich als Kind immer gespielt, aber die ist bei Hertha ja leider schon vergeben...

... an Patrick Ebert.

Tja, Pech gehabt. Aber dass ich ihn nun fragen würde, ob er mit mir tauscht – also so wichtig ist mir das auch nicht mit der Rückennummer.

Sie sind nicht der einzige Kolumbianer in Berlin. Beim 1. FC Union spielt John Jairo Mosquera auf einer ganz ähnlichen Position wie Sie bei Hertha. Wahrscheinlich haben Sie privat mit Union mehr zu tun als der Rest von Hertha zusammen.

Ach, ich bin in meinem Bekanntenkreis nicht so sehr auf Fußballspieler reduziert, ich kenne schon ein paar Leute, es gibt eine ziemlich große lateinamerikanische Community in Berlin. Aber John ist natürlich ein guter Freund, obwohl er aus Bogota kommt und ich aus Cali, das könnte bei anderen schon ein Problem sein. Auch zu Elkin Soto aus Mainz habe ich Kontakt. Das heißt: Ich hatte Kontakt, aber dann habe ich leider seine Telefonnummer verloren, aber wenn wir uns das nächste Mal bei der Nationalmannschaft sehen, tauschen wir sie wieder aus.

Mosquera schoss im Derby den 1:1-Ausgleich, Union gewann 2:1 und zelebrierte den Sieg wie einen Aufstieg. War Ihnen die Brisanz des Spiels vorher bewusst?

Ja, man hat mir vorher gesagt, dass wir Union unbedingt schlagen müssen, weil es sehr wichtig ist für unsere Fans. Und dann ist da natürlich noch diese politische Ost-West-Geschichte, davon habe ich vorher gelesen und die Leute haben mir hier davon erzählt, von der Teilung und der Mauer und so.

Sie spielen im Westen, Mosquera im Osten.

Dass das eine so brisante Konstellation ist, hätte ich früher auch nicht gedacht. Wir haben dann während des Spiels nicht miteinander geredet, dafür war es ohnehin viel zu laut im Stadion. Und was den Druck betrifft, den bin ich aus Kolumbien gewohnt. Egal, für mich war dieser Druck nichts Neues. Aus Kolumbien wusste ich, wie viel ein Stadtderby den Menschen bedeutet. In Cali mussten wir mit America immer gegen Deportivo gewinnen, sonst konnten wir die Saison vergessen. Und was glauben Sie, was los war, wenn wir gegen Nacional Medellin oder Millionarios de Bogota gespielt haben!

Das Gespräch führten Sven Goldmann und Sebastian Stier.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false