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AHORNBlätter (16): Leben ohne Auto

Benedikt Voigt erfährt diesmal, dass das Auto im Leben der Kanadier eine ganz zentrale Rolle spielt.

Neulich im Bus Nummer drei nach Whistler Village stellte der Olympiaberichterstatter fest, dass das Auto in Kanada eine zentrale Rolle spielen muss. „Ich fahre zum ersten Mal mit dem Bus“, gestand ein ungefähr 50 Jahre alter Kanadier seiner Sitznachbarin. Die Winterspiele hätten ihn in dieses ungewöhnliche Fahrzeug gezwungen. Während der Spiele gilt nämlich für ganz Whistler ein Fahrverbot. Nur wer einen speziellen Ausweis besitzt, darf die Straßen benutzen. Für alle anderen kurven 135 Busse tage- und nächtelang durch Whistler und sammeln im Sieben-Minuten-Takt Olympiatouristen und Einheimische ein. „Ist gar nicht schlecht“, findet der Busneuling, „aber wenn ich ehrlich sein soll, möchte ich so lange Autofahren, bis ich meine Hände und Füße nicht mehr bewegen kann.“

Eigentlich hätte der Olympiaberichterstatter auch früher drauf kommen können, dass dies ein Land der Autofahrer ist. Vor dem Haus seiner Gastfamilie parken sieben Autos und ein Jetski. Einmal hat die Gastmutter zu erklären versucht, warum: Der große Toyota ist das alte Familienauto, das nicht mehr benutzt wird, aber weil es neue Reifen hat, wird es noch nicht entsorgt. Dann steht dort ein Pick-up, den der Gastvater, der das Haus renoviert, als Lieferwagen für seine Baumaterialien benötigt. Ferner parkt da das aktuelle Familienauto, ein großer Toyota. Die Gastmutter nimmt allerdings für ihre Besorgungen den roten Golf, der Probleme mit dem Anspringen hat. „Manchmal muss man ihn anschieben“, sagt sie. Schließlich gibt es noch: das Auto des jüngsten Sohnes, der noch zu Hause wohnt; das Auto der Tochter, die in New Mexico wohnt, aber es benutzt, wenn sie nach Hause kommt; ebenso verhält es sich mit dem siebten Auto, das einem der Söhne gehört, die an der Ostküste Kanadas studieren. Etwas irritiert blickte die Gastmutter, als der Olympiaberichterstatter erzählte, dass er in Berlin kein Auto brauche.

Neulich aber hat sich auch die Gastmutter in einen Olympiabus gewagt. „Ging ganz gut“, sagt sie erstaunt, „das Bussystem funktioniert.“ Aber eigentlich freue sie sich schon auf den ersten März. Wenn das olympische Fahrverbot wieder aufgehoben wird.

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