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Seltener Anblick: Sasa Obradovic am Spielfeldrand mal nicht unter Hochspannung.

© dpa

Alba Berlin: Sasa Obradovic: Der Feldherr als Diplomat

Sasa Obradovic bleibt Trainer von Alba Berlin, weil er für die europäischen Spitzenklubs anscheinend noch kein Wunschtrainer ist. Die kommende Saison in Berlin sollte er nutzen, um auch die leisen Töne zu erlernen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Lars Spannagel

Zuschauer, die zum ersten Mal ein Spiel von Alba Berlin in der Arena am Ostbahnhof verfolgen, können bisweilen ihren Augen kaum glauben. Wenn Trainer Sasa Obradovic flucht, tobt, gestikuliert und allgemein ausflippt, entfährt so manchem unerfahrenen Besucher ein ungläubiges Lachen. Und die fassungslose Frage an den Sitznachbarn: „Sag mal, ist der immer so?“

Ja, Sasa Obradovic ist immer so. Leidenschaftlich, akribisch, ungeduldig, impulsiv. Auch in der kommenden Saison wird der 46-Jährige bei Alba den Spielern an der Seitenlinie vorleben, welche Intensität er auf dem Feld sehen will. Sasa Obradovic bleibt Trainer der Berliner und verzichtet darauf, von einer Ausstiegsklausel in seinem Vertrag Gebrauch zu machen. Das ist eine gute Nachricht für den Verein. Alba steht ein Umbau der Mannschaft bevor, mit Obradovic bleibt dem Klub eine klare Handschrift und eine sportliche Identität erhalten. Allerdings muss sich der „Trainer des Jahres“ der abgelaufenen Bundesligasaison auch entwickeln, um als Coach den nächsten Schritt zu machen.

Sasa Obradovic muss seine Leidenschaft besser dosieren

Obradovic orientiert sich an den großen, alten Trainern der serbischen Basketballschule. Im Gegensatz zu ihm können diese Coaches ihre Leidenschaft aber besser dosieren. Die Gefahr bei Obradovic ist, dass seine Spieler irgendwann abstumpfen und seine Tiraden an sich abperlen lassen. Intern mag auch seine Auseinandersetzung mit Alex Renfroe schnell vergessen gewesen sein, bei vielen Beobachtern hat die Handgreiflichkeit zwischen Trainer und Spielmacher noch lange für Kopfschütteln gesorgt. Obradovic hat oft beteuert, dass er sich vornehme, nicht so schnell zu explodieren. Aber dann fange das Spiel an – und alle guten Vorsätze seien vergessen.

Zuletzt hat Alba mit Geschick (und auch etwas Glück) charakterlich einwandfreie Profis verpflichtet, die sich schnell zu einem stabilen Team zusammen fanden und Obradovic als unumstrittenen Chef akzeptierten. Das muss nicht immer so laufen, vielleicht ist der Trainer bald nicht nur als Feldherr gefragt, sondern auch als Diplomat. Noch beherrscht er diese leisen Töne nicht, auch deshalb war er wohl bei europäischen Spitzenteams in diesem Sommer noch kein Wunschtrainer.

Es kommt viel Arbeit auf Sasa Obradovic zu, auch an sich selbst. Vielleicht nutzt er den Sommer dazu, mit einem kühleren Kopf zurück nach Berlin zu kommen. Das Brodeln in seinem Inneren kann er – und sollte er – ohnehin nicht abstellen.

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