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Sven Schultze, 35, spielte schon von 1998 bis 2000 für Alba. Seit 2010 steht er wieder in Berlin unter Vertrag, hier jubelt er mit David Logan (links). Heute treten die Berliner in ihrem ersten Spiel der Bundesligasaison in Quakenbrück an.

© Kai-Uwe Heinrich

Alba-Kapitän Sven Schultze: "Letztes Jahr waren wir zu brav"

Sven Schultze spricht im Tagesspiegel-Interview vor dem Saisonauftakt über den Umbruch bei Alba Berlin, junge Mitspieler und seine Rolle als Kapitän auf der Bank.

Herr Schultze, wie sehr geht Ihnen Ihr neuer Mitspieler Akeem Vargas schon auf die Nerven?

(Lacht). Eigentlich noch gar nicht. Wir liefern uns im Moment ein kleines Battle, wer zuerst zum Training kommt. Darauf zielt Ihre Frage ja wohl ab. Manchmal ist er eben früher da, manchmal ich. Ich finde es toll, dass er so ehrgeizig ist und so hart arbeitet. Das machen aber alle der neuen jungen Spieler.

Sie selbst sind 1998 im Alter von 20 Jahren zu Alba gekommen. Können Sie sich in Ihre neuen jungen Mitspieler hineinversetzen?
Auf jeden Fall. Wir waren damals auch immer eine Dreiviertelstunde vor dem Training da und hatten dazu noch die Doppelbelastung mit TuS Lichterfelde. Ich denke, der Umbruch bei Alba geht ein bisschen wieder in diese Richtung.

Gibt es etwas, woran Sie merken, dass viele Ihrer Mitspieler deutlich jünger sind?
Wenn man in die Kabine kommt und alle an ihrem Handy dransitzen, sieht man einfach, dass es eine andere Generation ist. Da denke ich mir immer: Kommunikation, Jungs! Reden!

Was tun Sie als Kapitän des Teams, um den jungen Spielern zu helfen?
Erst einmal bin ich mit meiner Einstellung Vorbild. Ich versuche vorzumachen, dass man hart arbeiten muss für alles. Egal ob man 18 ist oder 35. Ich lebe das vor.

Alba hat eine neue Strategie ausgerufen und das Team radikal verjüngt. Spüren Sie eine Aufbruchstimmung?
Total. Wir haben ja auch zwölf neue Leute. Die Intensität im Training ist echt hoch. Wir sind teilweise 14 Leute, jeder will spielen. Die Jungs müssen sich gegen die Älteren beweisen.

Wir groß ist Ihre Motivation, sich selbst da noch durchzusetzen?
Sehr hoch. Gerade wenn so viele junge Spieler im Team sind, musst du dich reinhängen. Beim Vorbereitungsturnier in Izmir musste ich mir schon von Schiedsrichtern anhören, ich solle endlich mit dem Basketball aufhören. Das pusht mich natürlich noch mehr. Ich bin ja erst 35, sorry.

Sie sind Kapitän und einziger Profi, der vom Kader der letzten Saison übrig geblieben ist. Was erwartet Trainer Sasa Obradovic in dieser Hinsicht von Ihnen?
Sasa hat mir gesagt, dass ich die jungen Spieler an die Hand nehmen soll. Ich nehme die Jungs auch mal nach dem Training zur Seite – gerade wenn Sasa lauter geworden ist. Dann sage ich: Mach dir keinen Kopf, nimm es nicht persönlich.

Haben Sie diese Art der Unterstützung als als junger Spieler bei Alba selbst erlebt?
Natürlich, das haben Henrik Rödl, Jörg Lütcke oder Marko Pesic auch für mich gemacht. Es ist wichtig für den Zusammenhalt, dass ältere Spieler die jüngeren aufbauen. Es macht eben viel aus, ob man sich versteht. Es kann nicht sein, dass man Leute holt, die sich im Training prügeln…

…gab’s das denn zuletzt bei Alba?
…es gab vielleicht eine Art von Diskussion oder Aneinandergeraten, das muss auch mal sein. Die wahren Gesichter sieht man sowieso erst, wenn du mal zwei, drei Spiele verlierst. Dann sieht man, ob das Team zusammenhält.

In der vergangenen Saison ist es Ihnen nicht gelungen, das Team zusammenzuhalten. Machen Sie sich Vorwürfe?
Ich würde nicht sagen, dass ich etwas falsch gemacht habe. Es waren einfach andere Charaktere in der Mannschaft, mehr gestandene Spieler. Heiko Schaffartzik, Yassin Idbihi – das sind schon Persönlichkeiten. Es hat schon gepasst, die Mannschaft hat funktioniert. Aber durch die lange Saison … es war ein bisschen … es ist schwer zu sagen, was man anders hätte machen können.

{Schultze über Obradovics Geduld: "Es fällt ihm manchmal sehr schwer"

Zudem gab es Animositäten zwischen Coach und Spielern.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass es mit einem der neuen Jungs wieder zu so etwas kommt. Sasa tritt dieses Jahr ganz anders auf. Er ist sehr positiv überrascht, dass alle so mitziehen und dass der Biss da ist. Er hat ja auch schon gelobt, dass Vojdan Stojanovski sich im Champions Cup mit Bambergs Casey Jacobsen angelegt hat. Dass man sich wehrt, das findet er gut. In diesem Sinne waren wir letztes Jahr zu brav.

Obradovic hat gesagt, er werde geduldig mit dem Team sein. Nehmen Sie ihm das ab?
Ich glaube, es fällt ihm manchmal sehr schwer. Aber er gibt sich sehr viel Mühe im Vergleich zum letzten Jahr. Wenn wir zu Weihnachten aber immer noch dieselben Fehler machen, wird er sicher nicht mehr so geduldig sein.

In diesem Jahr hat der Klub den Anspruch offiziell ein bisschen runtergeschraubt. Ist das noch das Alba, das Sie kennen?
Klar – wenn man die Geschichte von Alba kennt, ist das etwas ganz Seltsames. Weil Alba immer den Anspruch hat, um die Meisterschaft mitzuspielen. Aber ich finde es gut, dass man sagt, man muss mal kleine Brötchen backen. Und die Leute, die längere Verträge haben, da ranführt, wo Alba vor ein paar Jahren war.

Albas Verantwortliche sprechen von einem neuen „Wettrüsten“ in der Basketball-Bundesliga, das vom FC Bayern ausgeht. Haben Sie auch den Eindruck, dass da ganz andere Summen im Raum stehen?
Ich glaube schon, dass ein Wettrüsten im Gange ist. Ich habe gerade gelesen, dass der Serbe Boris Savovic einen Vertrag fertig hatte mit Bamberg und er dann gesagt hat, nein, ich gehe doch nach München. Das hat schon etwas zu tun mit Geld.

Sind Sie neidisch auf Heiko Schaffartziks lukrativen Vertrag bei Bayern? Wären Sie gerne noch einmal in Ihrer Blütezeit, um jetzt richtig Geld zu verdienen?
Nö. Mit dem, was ich erlebt habe, bin ich höchst zufrieden. Vielleicht hat Heiko gar nicht so viel Spaß in München und kann immer nur auf sein Konto gucken und lächeln. Aber es sei ihm gegönnt. So wie es bei mir gelaufen ist, ist es perfekt.

Herr Schultze, Sie sind 35 Jahre alt und haben 1995 zum ersten Mal in der Bundesliga auf dem Feld gestanden. Wie viele Profijahre trauen Sie sich noch zu?
Dieses Jahr auf jeden Fall. Und danach noch ein Jahr, mal sehen. Mein Körper ist fit, ich fühle mich gut. Ich mache auch viel dafür. Muss ich ja auch. Von den 78ern bin ich leider der einzige, der noch übrig ist – bis auf Dirk Nowitzki.

Haben Sie nicht das Gefühl, den Absprung verpasst zu haben?
Vielleicht sind die anderen eher neidisch auf mich und denken: Der Sven, der spielt ja immer noch.

Beim Sieg im Champions Cup gegen Bamberg durften Sie Ihr Aufwärmshirt aber erst bei der Siegerehrung ausziehen.
Ja. Jan Jagla hat mir noch rechtzeitig Bescheid gesagt. Alle standen in Gelb da, nur ich nicht.

Das war auch eine symbolische Situation, Sie hatten als einziger Alba-Profi keine Sekunde gespielt. Ist das schwierig für Sie?
Als Spieler willst du immer spielen, das ist klar. Ich habe mich aber auf meine Rolle eingestellt. Wenn Sasa meinen Namen ruft, werde ich sofort da sein.

Ist es ein Problem, wenn der Kapitän nicht auf dem Feld vorangehen kann?
Ich glaube, man hört mich immer. Egal ob ich auf dem Feld bin oder auf der Bank. Bis jetzt hören noch alle auf mich. Mal sehen, wie das während der Saison wird.

Das Gespräch führten Benedikt Voigt und Lars Spannagel.

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