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Alba: Mit Demut angreifen

Albas Basketballer wollen mit neuen Protagonisten zu alten Erfolgen, zeigen aber auch Zurückhaltung.

Berlin - Ein paar Mal erst hat Johannes Herber nach der Europameisterschaft mit den Basketballprofis von Alba Berlin trainiert, doch dabei hat er schon einige Veränderungen festgestellt. Zehn neue Mitspieler hat er kennengelernt, es wird nun weniger englisch und mehr serbisch gesprochen als in der abgelaufenen Saison. Einen neuen Trainer gibt es auch, Luka Pavicevic hat Henrik Rödl ersetzt, der für das Aus im Play-off-Achtelfinale gegen die Artland Dragons Quakenbrück verantwortlich zeichnet, Albas schlechtestes Abschneiden in der Vereinsgeschichte. „Es gibt mehr Vorgaben, selbst das Aufwärmen ist jetzt strukturiert“, sagt Herber. „Und der Trainer legt viel Wert auf Raumaufteilung und Timing, das ist kognitiv sehr anspruchsvoll.“

Herbers Vorgesetzte bei dem Bundesligisten konnten sich schon länger ein Bild von Pavicevic machen – und sind begeistert. „Egal ob im Sport oder wirtschaftlich, ich habe selten jemanden mit dieser Klarheit in der Führung erlebt, wie er sie hat“, sagt der Aufsichtsratsvorsitzende Axel Schweitzer. „Wenn ich ihm in die Augen schaue, sehe ich Klarheit, hohen Siegeswillen und Emotionen.“ Der 39 Jahre alte Serbe, der von Panionios Athen kommt, blickt erst auf eine vierjährige Trainerkarriere zurück. Doch er beeindruckte die Alba-Bosse etwa mit dem Einzug ins Uleb-Cup-Halbfinale 2006. Doch getreu der Devise, dass „Erfolg am Ende planbar ist“ (Schweitzer), wenn man ein bisschen Zeit hat, gab man Pavicevic einen Dreijahresvertrag. Auch bei der Zusammenstellung des Kaders habe man nicht nur die Gegenwart, sondern auch die Zukunft im Auge gehabt. Bewusst setzt Alba auf ältere, aber auch jüngere Spieler, „damit nicht eine Generation gemeinsam abtritt“, sagt Schweitzer. „Wir brauchen nicht ein Team, das Meister wird und uns in die Europaliga bringt, sondern eines, das dort auch wettbewerbsfähig ist. Dafür müssen wir jetzt die Korsettstangen generieren.“

Ein junger Spieler allerdings muss jetzt schon viel Verantwortung übernehmen, zumindest vorübergehend. Weil der routinierte Spielmacher Goran Jeretin mit einem Kreuzbandriss mindestens ein halbes Jahr ausfällt, nimmt diese zentrale Position der 23 Jahre alte Bobby Brown ein. Ein neuer Mann soll noch verpflichtet werden, doch fünf Tage vor dem Bundesligaauftakt in Quakenbrück sind erstklassige Spielmacher nicht mehr zu haben.

Schon beim Turnier in Belgrad vergangene Woche, wo Alba einen Sieg feierte und zwei Niederlagen einsteckte, musste Brown sich bewähren, heute hat er im Testspiel gegen Dynamo Moskau (20 Uhr, Max-Schmeling-Halle) die nächste Chance. Die Mannschaft des ehemaligen Alba-Trainers Svetislav Pesic hat gerade beim 78:56 gegen Meister Bamberg ihre Stärke demonstriert. Albas Mannschaft hingegen braucht laut Geschäftsführer Marco Baldi noch Zeit, um zusammenzuwachsen. Gut möglich also, dass die Fans bei Albas erstem Auftritt vor heimischem Publikum noch keinen Sieg zu sehen bekommen. Mehr als 5500 Tickets waren Mitte der Woche bereits verkauft, und es deutet sich an, dass beim Dauerkartenverkauf die Vorjahresmarke von knapp 3000 überboten wird. Trotz des erneut fehlenden Brustsponsors sieht Baldi wirtschaftlich keine Einbrüche nach dem Debakel vom Frühjahr. „Wir sehen im Sponsoringbereich höchste Kontinuität. Das bestätigt einen, wenn im Misserfolg nicht alle weglaufen.“

Natürlich will Alba endlich wieder Deutscher Meister werden, letztmals gelang dies 2003. Doch Axel Schweitzer sagt vorsichtig: „Vielleicht schaffen wir es nicht in dieser Saison. Das müssen wir dann ertragen.“ In den Jahren, in denen Alba regelmäßig den Titel holte, „haben wir nicht mehr wahrgenommen, was es heißt, Meister zu sein“, sagt Schweitzer. „Diese Demut lernen wir gerade.“

Helen Ruwald

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