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© EPA

Sport: Alberto Contador: Mensch oder Motorrad

Der Tour-Führende Contador streitet Doping ab – doch der Faktor Zeit spricht für die Fahnder.

Der Profiradsport hat einen neuen Herrscher. Er heißt Alberto Contador, Kürzel AC. So steht es auf den Baseballcaps, die sein Bruder und Pressesprecher Francisco verteilt. So stand es auch in den Unterlagen des Doktor Fuentes. Die beamteten Leser der Guardia Civil hatten dieses Kürzel ebenfalls Alberto Contador zugeordnet. Die Aktendeckel zur Dopingaffäre „Operacion Puerto“ sind zugeklappt, die AC-Mützen werden verkauft. Alberto Contador ist endgültig zum stärksten Radprofi der Gegenwart avanciert. Er ist das Optimum: Der Beste aller Bergfahrer und der Beste aller Zeitfahrer. Bewundernde wie kritische Beobachter vergleichen den Mann aus Pinto daher gern mit einem Motorrad. Was Contador leistet, mutet nicht mehr wie das Ergebnis menschlicher Muskelarbeit an, sondern wie das Resultat hoch qualifizierter Ingenieurskunst.

Kommt Alberto Contador aber der Motorrad-Vergleich zu Ohren, dann verfinstert sich sein Gesicht. „Ich bin kein Motorrad. Ich bin ein Mensch“, sagt er dann grimmig. Erstmals wurde er bei der Tour 2007 mit dem Vergleich konfrontiert. Damals war er gemeinsam mit dem Dänen Michael Rasmussen so die Berge hochgejagt, dass beide nur als „Gebirgsmotorräder“ bezeichnet wurden. Rasmussen wurde 2007 aus dem Rennen gezogen. Nicht, weil er es mit Doping übertrieben hatte – wie bekannt ist, hat er mit Rinderblut, Epo und auch Eigenbluttransfusionen experimentiert – sondern weil er versucht hatte, seinen Aufenthaltsort und damit seine Dopingkuren zu verschleiern.

Pikanterweise kehrt dieser Michael Rasmussen genau in jener Woche in den Wettkampfbetrieb zurück, in der Alberto Contador zu den Sternen greift. Der Weltverband UCI hat seinen Einspruch gegen das Comeback des Dänen zurückgezogen. Während Rasmussen an einem Neubeginn bastelt, stürmt sein einst knapp unterlegener Begleiter neue Gipfel. Contador steht kurz vor seinem zweiten Toursieg. Er leitet eine neue Runde zum „Grand Slam“ aus Tour, Giro und Vuelta ein. Und er hat die Ikone Lance Armstrong vom Sockel gestoßen. Ihm ist unter erschwerten Bedingungen geglückt, was Jan Ullrich oder Marco Pantani nie geschafft haben. Sie hatten jeweils eine ganze Mannschaft zur Verfügung, Contador dagegen nur ein Rumpfteam. Armstrong war in das um Contador gebaute Team Astana eingedrungen. Er hat ihm Helfer abspenstig gemacht und Teamchef Johan Bruyneel in eine tiefe Loyalitätskrise gestürzt. Sollte sich der Belgier an der Vergangenheit orientieren und Armstrong fördern oder für eine Zukunft mit dem unschlagbar scheinenden Contador planen? Bruyneel hat einen Ausweg gefunden: Das Team, das er im nächsten Jahr führen wird, heißt „Radio Shack“; es hat seinen Kapitän, Co-Eigner und Medienmagneten in Lance Armstrong. Alberto Contador wird aller Voraussicht nach nicht dazugehören.

Wie lange sich Contador seiner Dominanz erfreuen kann, ist offen. Zwei Monate nach seinem großen Auftritt beim Giro d’Italia ist der Italiener Danilo Di Luca wegen Cera-Dopings aufgeflogen. Die Fristen, in denen Dopingsünder ertappt werden, wachsen in diesem Jahr wieder. Die Wettkämpfe werden von Skandalen freigehalten, die Antidoping-Diagnostik aber macht Fortschritte. Ansonsten wäre der Giro-Zweite nicht erwischt worden. Über Contador schwebt jetzt ein Verdacht namens „VO2max“. Sein Blut weist eine höhere Sauerstofftransportfähigkeit auf als das der Epo-Doper aus dem skandalumwitterten Festina-Team.

Contador ist damit der Karteikartenreiter des Doping-Archivs. Sein Name steht auf der Fuentes-Liste. Leistungsmäßig war er der Zwilling des Experimentaldopers Michael Rasmussen. Und jetzt hat er auch noch Armstrong übertroffen. Die Diagnose-Uhr läuft gegen Contador.

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