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Alessandro Zanardi mit Goldmedaille.

© dapd

Alessandro Zanardi: Ein Sieg über die Langeweile

Vor elf Jahren verlor der Autorennfahrer Alessandro Zanardi bei einem Unfall auf dem Lausitzring beide Beine. Sein neues Leben besteht weiterhin nur aus Sport. Jetzt gewann er als Handbiker bei den Paralympics die Goldmedaille.

„Das ist wirklich der Höhepunkt mit vielen anderen großartigen Momenten in meinem Leben, und ich fühle mich glücklich, das miterleben zu dürfen.“ Immmer wieder gehen Reporter bei den Paralympics in London in die Hocke, um mit Rollstuhlfahrer Alessandro Zanardi beim Interview auf einer Höhe zu sein, und immer wieder strahlt der Fahrer aus dem Team Italien in die Kameras. Für seine Konkurrenten beim Zeitrennen war es nicht möglich, mit dem Paralympics-Star auf ein Level zu kommen: Zanardi holte in der Startklasse H4 am siebten Tag der Partalympics Gold, mit 24.50.22 Minuten rollte der ehemalige Formel-1-Rennfahrer mit deutlichem Vorsprung über die Ziellinie vor dem Deutschen Norbert Mosandl (25.17.40) und dem Amerikaner Oscar Sanchez (25.35.26). Am heutigen Freitag geht Handbiker Zanardi erneut in Kent an den Start beim Straßenrennen.

Eigentlich sagen viele Paralympioniken immer, damit man auch mental im Leben klarkommen kann, muss man nach einem Unfall mit seinem alten Leben abschließen und ein völlig neues beginnen. Für Zanardi war sein altes Leben zu Ende, als er vor elf Jahren auf dem Lausitzring in Brandenburg bei Tempo 200 schwer verunglückte. Der Wagen des 45-Jährigen wurde in zwei Teile gerissen, er musste sieben Mal wiederbelebt werden. Und er hat all das überlebt.

Es gibt paralympische Skifahrer, die nach einem Autounfall weiter einbeinig die Pisten herunterrasen. Alessandro Zanardis Leidenschaft ist und bleibt der Geschwindigkeitsrausch. Erst steuerte er zwischen 2005 und 2009 einen umgebauten BMW bei Tourenwagenmeisterschaften. Doch nebenher trainierte „Alex“, wie hn seine Freunde nennen, schon immer mit dem Handbike, bei denen er die Pedale mit der Kraft der Arme dreht.

Sein Sieg bei den Paralympics passt zu seinem neuen alten Leben: Der 45-jährige Italiener holte gerade auf der Rennstrecke in Brands Hatch Gold, auf der er bereits in F3000-Autorennen einst schon startete und gewann.

2001: Zanardi verunglückt bei einem Rennen der amerikanischen Champ-Car-Serie auf dem Lausitzring schwer und verliert beide Beine.

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Der Italiener, bei dem die alten Einträge auf seiner Internetseite aus Formel-1-Zeiten noch nachzulesen sind, hob sich nach dem Sieg aus seinem Straßenrenner, setzte sich mit seinen beiden Stümpfen im Renndress auf den Boden und hob triumphierend sein Rad über den Kopf in die Höhe. „Ich bin Alex Zanardi, ich habe ein bisschen was von einem Angeber“, sagte er mit einem Grinsen. Und fügte dann aber hinzu: „Klar wusste ich auch, dass dieser Erfolg mir dennoch auch einen Moment der Traurigkeit bescheren würde.“

Paralympioniken wie Zanardi entwickeln da auch eine eigene Art von Galgenhumor, mit dem sie ihr Schicksal verarbeiten und so auch in eine mentale Distanz gehen. Etwa wenn so einer wie er scherzt, er könne sich jetzt wenigstens nicht mehr die Beine brechen.

Für andere Radspezialisten kam der überragende Erfolg Zanardis eher überraschend, einige fragen sich hinter vorgehaltener Hand, wie jemand in so kurzer Zeit seine Leistung derartig verbessern könne. Manche Fahrer erzählten sich hinterher, dass es nicht leicht gewesen sei, die Autorennstrecke mit ihren klassischem Kurvenschrägen mit der Handkurbelei zu bewältigen.

Für Zanardi war es ein kurzes paralympisches Zwischenspiel, er hatte seinen Rücktritt vom Paralympics-Sport schon vor London 2012 angekündigt. Nicht unbedingt zur Freude von anderen Paralympics-Teilnehmern, die sich einerseits freuen, dass der schwer verunfallte Prominente einerseits Aufmerksamkeit auf den Sport zieht, aber das gleichsam abschöpft und nicht ernsthaft lange dabei bleibt. Nach dem Start am Freitag, sagte Zanardi, wolle er vielleicht wieder in einem Rennwagen ans Steuer, „ich muss mir was suchen, damit mir nicht langweilig wird“. Aber erstmal müsse er seiner Frau eine Woche lang „bei Frauensachen wie Shopping“ zur Seite stehen.

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