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Sport: Alle Endspiele erreichen, die meisten gewinnen

Von Alexander Busch São Paulo. „Kahn" in brasilianischem Portugiesisch ausgesprochen klingt wie „cão" - was wiederum „Hund" bedeutet.

Von Alexander Busch

São Paulo. „Kahn" in brasilianischem Portugiesisch ausgesprochen klingt wie „cão" - was wiederum „Hund" bedeutet. Deswegen gab es vor dem Finale in der brasilianischen Presse einen Wildwuchs an Assoziationen zwischen Vierbeiner und deutschem Torwart. „Wachhund", „Pit-Bull", „Rottweiler", „Vorsicht, bissiger Hund" und so weiter. Das war noch nicht einmal böse gemeint, sondern hochachtungsvoll. Doch dann, nach dem ersten Treffer Ronaldos, der wegen Kahns Fehler möglich geworden war, grassierte vor den Fernsehern, auf den Plätzen, an den Stränden überall der Spruch: „Ein Hund, der bellt, beißt nicht" – und um Kahns Mythos war es in Brasilien geschehen.

Am Morgen nach dem WM-Triumph brach dann der Winter-Karneval so richtig aus und setzte sich zum Teil ohne nächtliche Unterbrechung auch am Montag fort. „Wir feiern bis zur Ankunft unserer Jungs am Dienstag weiter“, sagte der Bürobote Joao, der bei Samba-Tänzen und Caipirinha in Strömen mit Dutzenden von Freunden die Nacht am Copacabana-Strand in Rio verbrachte. Mehrere zehntausend Menschen aller Hautfarben, Einkommens- und Altersklassen waren sich dort am Vortag nach dem Abpfiff tanzend und weinend in die Arme gefallen.

Die Begeisterung kennt nach dem WM-Triumph in Brasilien keine Grenzen. „Mit etwas mehr Organisation werden wir zur NBA des Fußballs, wir werden unschlagbar“, sagte der Weltmeister-Coach von 1994, Carlos Alberto Parreira. Brasiliens Fußball-Idol Pelé war nur etwas vorsichtiger. „Mit einigen Reformen und weniger Chaos können wir künftig alle WM-Endspiele erreichen und die meisten gewinnen.“ Irgendwie erinnert das an Franz Beckenbauer nach dem deutschen Sieg 1990, der damals Jahre der deutschen Dominanz angekündigt hatte. Das Ergebnis ist bekannt.

„Das ganze Land bebt“, sagte Staatspräsident Fernando Cardoso, der die Stars um Ronaldo und Rivaldo am Dienstag im Regierungspalast in Brasilia empfangen wird. Danach werden die Volkshelden der „Selecao“ in offenen Wagen auf Triumph-Fahrt durch die Straßen von Rio und São Paulo gehen. Cardoso rief zwar wider Erwarten keinen nationalen Feiertag aus, empfahl aber Firmen und Behörden, den Arbeitern und Angestellten am Dienstag frei zu geben. „Ich bin stolz auf unsere Jungs, sie spielen den besten Fußball der Welt und haben dem Volk eine Riesenfreude bereitet.“„Es gibt nicht einen einzigen Brasilianer, der nicht jubelt, selbst die Indios im Urwald feiern“, sagte ein Kommentator des Radiosenders „Jovem Pan“.

An der Copacabana, wo das Finale auf einer Großleinwand übertragen wurde, hatten sich um vier morgens vier Stunden vor Anpfiff Zehntausende bei 15 Grad versammelt. Einige stürzten sich nach dem Abpfiff mit Schuhen und langen Hosen ins Meer. „Wir spüren nur Wärme“, sagte eine junge Frau im Bikini vor Fernsehkameras. Jubel gab es selbst in den deutschen Einwanderergemeinden im Süden Brasiliens. „Ich bin hundertprozentig Brasilianer“, sagte etwa Tennis-Star Gustavo Kuerten.

Im Staat Rio Grande do Sul gab es drei Tote bei zwei Streitfällen mit Schießereien. Weitere Zwischenfälle blieben bislang aus.

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