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Sport: „Alle haben gesehen, dass ich es kann“

Torsten Frings über die WM, die jungen Spieler bei der Nationalmannschaft und seine Stellung im Team

Herr Frings, in Sönke Wortmanns Film „Deutschland – ein Sommermärchen“ gibt es eine Szene, in der Sie eine wichtige Rolle spielen. Es geht um die Frage, wo sich die deutsche Mannschaft von ihren Fans verabschieden soll. Michael Ballack und Oliver Kahn plädieren für Stuttgart, Sie setzen sich für Berlin ein.

Das war eine normale Diskussion, wie sie jeder Mensch auf der Welt mal führt, nichts Dramatisches. Außerdem ist da auch gar nicht alles gezeigt worden.

Der Öffentlichkeit bleibt vorenthalten, wie Sie sich am Ende durchgesetzt haben.

Wir haben abgestimmt, und es gab eine überwältigende Mehrheit für Berlin.

Die Abstimmung soll 20:3 ausgegangen sein.

So ungefähr, ja. Es gab nur ganz wenige Spieler, die lieber im Süden bleiben wollten.

Die Szene sagt auch etwas über Ihre Stellung in der Mannschaft.

Das weiß ich nicht. Ich habe einfach meine Meinung vertreten. Das habe ich immer schon getan, nur vielleicht nicht so deutlich vor der ganzen Mannschaft.

Ging es in dieser Diskussion mit Michael Ballack unterschwellig auch um die Führungsrolle in der Mannschaft?

Überhaupt nicht. Um Gottes willen. Wir sind gut befreundet, und wir harmonieren super miteinander, gerade bei der WM haben wir das bewiesen.

Jupp Heynckes, der Trainer von Borussia Mönchengladbach, hat kurz nach der WM gesagt: Torsten Frings ist im Moment der Spieler, der genau in die Zeit passt: einer, der immer etwas unterschätzt wurde, über die Komponenten Kraft und Kondition aber bei der WM ein deutlich besserer Fußballer geworden ist. Haben Sie das auch so erlebt?

Dass ich immer etwas unterschätzt worden bin, liegt vielleicht auch ein bisschen an mir selbst: weil ich ein ruhiger Typ bin, zurückgezogen lebe und mich nicht so oft in der Öffentlichkeit zeige. Ich will das nun mal nicht anders. Die WM war deshalb gut für mich, weil alle gesehen haben, dass ich auf einer wichtigen Position spiele und dass ich diese Position auch gut spielen kann.

Vor der WM hat es daran Zweifel gegeben. Michael Ballack zum Beispiel hat Sie dazu aufgefordert, Ihre Rolle defensiver zu interpretieren.

Wenn er das sagt, wird es wohl so gewesen sein. Ich bin eben ein Spieler, der durch seine Kraft und die Power auch mal mit nach vorne marschiert. Das habe ich bei der WM nicht so häufig gemacht, weil es für die Mannschaft besser war. Auch der Micha musste defensiver spielen, als er das eigentlich will. Das war der Schlüssel für unseren Erfolg: dass wir sehr kompakt standen und im Mittelfeld nichts zugelassen haben. Da musste jeder seine eigenen Interessen etwas zurückstellen.

Haben Sie sich durch die WM verändert?

Weiß ich nicht. Die WM war einfach eine geile Sache. Die hat jedem Spieler ein bisschen mehr Selbstvertrauen gegeben.

Was ist mit Ihrer Rolle in der Mannschaft?

Natürlich hat sich meine Rolle verändert. Das geht automatisch – mit dem Alter, mit der Anzahl der Länderspiele. Ich werde dieses Jahr 30 und bin hier mittlerweile fast der Älteste. Jürgen Klinsmann hat mich nach seinem Amtsantritt sofort in den Mannschaftsrat geholt. Das war schon wichtig für mich, und das setzt sich jetzt unter Joachim Löw fort.

Vor dem Halbfinale gegen Italien haben Sie die Ansprache in der Kabine gehalten.

Ich habe das erst ein paar Minuten vor dem Anpfiff erfahren und versucht, die Mannschaft heiß zu machen. Wir haben das gebraucht, erst das hat uns so weit gebracht. Leider hat es gegen Italien nicht gereicht. Eine Minute hat gefehlt. Wenn wir ins Elfmeterschießen gekommen wären, hätten wir gewonnen. Und wenn wir Italien geschlagen hätten, wären wir auch Weltmeister geworden.

Haben die Deutschen nicht vielleicht zu früh auf das Elfmeterschießen gebaut?

Nein. Hätten wir mal so gedacht … Dann hätten wir ein bisschen ruhiger gespielt, abgeklärter, und nicht so einen blöden Ballverlust gehabt, der zu der entscheidenden Ecke für Italien geführt hat. Wir wollten auch in der 120. Minute noch das Tor machen, das war vielleicht das Verhängnis. Die Italiener haben in der 110. Minute schon den Ball zum Torhüter zurückgespielt, fünfmal hintereinander – weil sie platt waren.

Haben Sie sich das WM-Finale angesehen?

Nee. Ich hatte keinen Bock, mir das noch reinzuziehen. Das wäre zu traurig gewesen – weil wir es eigentlich verdient hätten, da zu stehen. Ja, ja …

Wo steht der deutsche Fußball jetzt?

Wir haben uns wieder bewiesen. Andere Länder haben wieder Respekt vor uns, was lange nicht der Fall war. Die WM hat uns sehr viel Selbstvertrauen gegeben, und so treten wir jetzt auch auf. Uns muss erst mal jemand schlagen, wenn wir eine gute Leistung bringen. Da muss unser Gegner schon einen Riesentag erwischen.

Gilt das auch für eine deutsche Mannschaft mit all den jungen Spielern, die Joachim Löw jetzt nominiert hat?

Es ist doch schön für den deutschen Fußball, dass es wieder so viele Talente gibt. Das sind schon gute Fußballer, sonst wären sie ja nicht hier. Obwohl – es gab früher auch schon welche, die hier nichts zu suchen hatten und trotzdem immer eingeladen worden sind. Jetzt liegt es an jedem selbst, wie lange er bei der Nationalmannschaft dabei ist. Wir haben einen Trainer, der jedem eine Chance gibt, wenn er auf Dauer gute Leistungen in der Bundesliga bringt. Das war nicht immer so.

Was meinen Sie?

Wenn man dich früher nicht haben wollte, bis du eben nicht eingeladen worden. Da ist immer auf dieselben Leute zurückgegriffen worden, egal, ob sie verletzt waren, in einem Tief steckten oder den größten Käse gespielt haben. Ich musste fast 150 Bundesligaspiele bestreiten, bevor ich zur Nationalmannschaft eingeladen wurde. Heute bist du schon langsam, wenn du zehn Bundesligaspiele brauchst … Früher gab es eben keinen, der gesagt hat: So, jetzt kommen auch mal junge Spieler dran. Ich bin froh, dass sich das geändert hat.

Was bedeutet das für das Klima innerhalb der Mannschaft?

Die jungen Spieler sind alle ein bisschen lockerer als wir früher. Die haben auch keine Probleme, Anschluss zu finden – weil wir so viele junge Spieler haben. Als ich zur Nationalmannschaft kam, kannte ich bis auf Michael Ballack und Bernd Schneider aus der A 2 eigentlich niemanden. Heute können die Jungen hier machen, was sie wollen. Wenn sie überdrehen, werden sie mal kurz auf den Boden zurückgeholt. Und dann ist wieder gut.

Sehen Sie schon einen Konkurrenten für Ihre Position?

Keine Ahnung. In den nächsten zwei Jahren sollte sich da niemand Hoffnungen machen. Danach kann von mir aus jemand kommen.

Heißt das, dass Sie nach der Europameisterschaft aufhören wollen?

Ich plane erst einmal nur bis 2008. Man weiß ja nie, was passiert. Wenn wir Weltmeister geworden wären, hätte ich, glaube ich, sofort bei der Nationalmannschaft aufgehört.

Weil nach dem WM-Titel nichts mehr kommen kann?

Ja, aber das war nur eine Minute, dass ich mit diesem Gedanken gespielt habe.

Das Gespräch führte Stefan Hermanns.

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