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Rallye Dakar: "Alle sollten jetzt vorsichtiger sein“

Der Dakar-Sieganwärter Dirk von Zitzewitz sprach mit dem Tagesspiegel über die harte Strecke, Organisationsmängel und den Tod.

Herr von Zitzewitz, Sie klingen verschlafen. Hoffentlich hat Sie das Telefonklingeln nicht geweckt.



Doch.

Bei Ihnen ist es sechs Uhr morgens. Möchten Sie lieber später telefonieren?

Nein, ist schon okay, jetzt bin ich ja ohnehin wach.

Sie wachen ganz vorn in der Automobilwertung der Rallye Dakar auf. Der bisherige Spitzenreiter Nasser al Attiyah ist disqualifiziert worden.

Oh, ist er? Als ich ins Bett gegangen bin, war das noch nicht klar. Vom Reglement her ist das aber richtig. Man darf nicht mehr als vier aufeinanderfolgende Wegpunkte auslassen, und er hat neun verpasst, weil er wegen eines Motorproblems eine Düne nicht überqueren konnte.

Freuen Sie sich?

Natürlich freuen wir uns über so was nicht. Das ist schade, denn wir wollen ja fighten.

Aber Sie haben doch bestimmt die Gedanken an den möglichen ersten Sieg im Kopf.

Klar, die Gedanken kommen, aber ich versuche sie zu verdrängen. Das Rennen ist noch so wahnsinnig lang, wir haben gerade erst die Hälfte der 14 Etappen hinter uns. Es ist zu früh, um in Euphorie zu verfallen.

Sie verlassen nun Argentinien und überqueren die Anden Richtung Chile. Wie ist die erste Dakar außerhalb Afrikas?

Es ist total toll, wie wir hier aufgenommen werden, wir werden unglaublich positiv empfangen – die Bevölkerung steht an der Straße und wir werden bejubelt. Auch sportlich steht das hier Nordafrika in keiner Weise in etwas nach. Es ist wirklich sehr anspruchsvoll, so wie es sein soll für eine Dakar.

Ist die Strecke noch härter als in Afrika?

Nein, das würde ich nicht sagen. Es sind verschiedene Dinge anders, und auf die muss man sich einstellen. Ein Problem zum Beispiel ist der Staub, der ist extremer als in Afrika. Dem kann man hier praktisch nicht ausweichen.

Fühlen Sie sich sicher, soweit man so etwas bei einer solchen Veranstaltung überhaupt sagen kann?

Ich fühle mich hier genauso sicher wie sonst in Nordafrika. Wenn nicht sogar sicherer, allein dadurch, dass man hier zwischendurch überall Zuschauer trifft. Man könnte also, wenn man irgendwo liegen bleibt, Hilfe von Einheimischen bekommen, was in Afrika normalerweise nicht geht.

Der Motorradfahrer Pascal Terry hat Anfang der Woche keine Hilfe bekommen und starb deswegen nach einer Panne an einem Herzinfarkt. Die argentinische Polizei wirft dem Veranstalter ASO vor, Terrys Notsignal zu spät weitergeleitet zu haben. Machen Sie sich angesichts solcher Organisationsmängel Sorgen?

Ich kenne die genauen Hintergründe nicht und weiß nicht, was da wirklich passiert ist. Aber natürlich macht man sich schon ein bisschen Sorgen. Das ist absolut schlimm, dass so etwas passiert ist, und es überrascht mich auch, weil der Veranstalter, die ASO, unheimlich gut organisiert ist. Ich weiß nicht, was da schiefgelaufen ist. Speziell für meinen Fall mache ich mir jedoch nicht so große Sorgen, weil wir im Auto sehr gut ausgerüstet sind.

Was heißt das?

Wir haben mehr Möglichkeiten, Sicherheitsausrüstung mitzunehmen und haben zum Beispiel ein Satellitentelefon dabei. Wenn das Notrufsystem des Veranstalters nicht funktioniert, können wir auch noch darüber anrufen. Ebenfalls für uns hilfreich ist, dass wir vorn dabei sind. Da ist die Aufmerksamkeit der Presse größer, und sollte etwas passieren, würde das Ganze vermutlich intensiver beobachtet werden.

Glauben Sie, dass die Organisatoren sich gut auf die vielen Unwägbarkeiten der Premiere in Südamerika eingestellt haben?

Ich habe schon das Gefühl, dass die ASO alles Mögliche versucht, um hier ein gutes Rennen auf die Beine zu stellen. Wir haben es mit vielen Unbekannten zu tun und stehen bis jetzt recht gut da.

In der Formel 1 setzt sich eine Fahrer gewerkschaft für Sicherheitsbelange ein. Gibt es so etwas auch bei der Dakar? Oder reden die Teilnehmer im Biwak überhaupt nicht über diese Problematik?

Wir reden natürlich über so etwas. Zwischendurch haben wir immer mal wieder Zeit, wo wir teamübergreifend alle zusammenstehen. Bei manchen Dingen kann man durchaus noch Einfluss nehmen, bei anderen bleibt es bei Anregungen fürs nächste Mal.

Nennen Sie mal ein Beispiel.

Ein Punkt, der uns überrascht hat, war etwa die Streckenwahl auf der sechsten Etappe. Da sind wir an zwei aufeinanderfolgenden Tagen durch dasselbe Dünengebiet gefahren, obwohl die ASO damit rechnen konnte, dass noch nicht alle vom Vortag aus der Düne raus sein würden. Das hat der Veranstalter durch seine Unerfahrenheit hier in Südamerika etwas unterschätzt. Aber er hat dann nach unserem Einwand auch reagiert, den Start verzögert und die Pausen vergrößert. Die ASO versucht schon, das Rennen an die neuen Bedingungen anzupassen.

Sind Sie und Ihr Fahrer Giniel de Villiers wegen dieser Unwägbarkeiten auch im Auto generell ein bisschen vorsichtiger, als Sie es in Afrika wären?

Wir sind definitiv vorsichtiger, weil wir nicht wissen, was uns erwartet. In Afrika kennen wir uns schon sehr gut aus, aber hier kennen wir die Schwierigkeiten des Geländes noch nicht.

Fahren Sie nun sogar noch konservativer, weil Sie so gut im Rennen liegen?

Man kann jetzt mit Sicherheit ein bisschen ruhiger rangehen, um die Sache nicht unnötig zu gefährden. (Es piept.) Warten Sie mal kurz … sehen Sie, jetzt klingelt mein Wecker – jetzt hätte ich aufstehen müssen. Aber ja, der Druck ist durch al Attiyahs Ausfall kleiner geworden, da können wir ein bisschen Gas wegnehmen. Auf jeden Fall sollte man jetzt nicht mehr riskieren, als es irgendwie nottut.

Raten Sie das auch anderen Teilnehmern?

Ich denke, alle sollten vorsichtiger sein, wenn sie jetzt auf neuem Gebiet unterwegs sind. Aber die Piloten reagieren natürlich unterschiedlich – manche sind eben risikobereiter als andere.

– Das Gespräch führte Christian Hönicke.

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