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Sport: Alle unter Kontrolle

Ullrich attackiert, Armstrong kontert, Totschnig gewinnt die Etappe

Jan Ullrich schnappte immer noch nach Luft. Der deutsche Radprofi war schon einige Minuten im Ziel der 14. Etappe der Tour de France in Ax-3-Domaines, aber das Sprechen fiel ihm sehr schwer. „Ich habe heute alles aus mir herausgeholt, aber auf den letzten fünfhundert Metern haben meine Muskeln übersäuert“, sagte Ullrich. Kurz vor der Zielankunft waren ihm Lance Armstrong und Ivan Basso noch um zwanzig Sekunden davongefahren, sie belegten vor Ullrich den zweiten und dritten Platz. Schon eine Minute vor Armstrong war Georg Totschnig vom Team Gerolsteiner im Ziel. Er holte bei der dritten Tour-Teilnahme der Gerolsteiner-Mannschaft den ersten Etappensieg. Der Österreicher hatte sich bereits nach sieben Kilometern gemeinsam mit neun anderen Fahren vom Feld abgesetzt. Die Fluchtgruppe erarbeitete sich bis zu dem ersten der beiden schweren Berge dieses Tages, dem Port de Pailhères, einen Vorsprung von fast zehn Minuten.

Als das Hauptfeld den Fuß dieses Berges erreichte, begannen die Attacken. Alexander Winokurow versuchte gleich mehrfach, sich von den anderen Favoriten abzusetzen. „Das war von vornherein so geplant“, sagte Jan Ullrich. „Lance Armstrong kannst du nicht erst am letzten Berg abhängen.“ Armstrong verlor bei diesen Attacken gleich seine Helfer, zunächst setzte er einer kleinen Gruppe mit Winokurow, Ullrich und Ivan Basso nicht nach. Doch als der Abstand größer als zwanzig Sekunden zu werden drohte, schloss er scheinbar mühelos mit einem schnellen Antritt zu den anderen auf. Die Ausreißer wurden mit der Zeit nach und nach eingeholt, einzig der 34-jährige Totschnig setzte seine Flucht fort, ohne allzu viel von seinem Vorsprung zu verlieren. Immer wieder fanden zeitweise einzelne Fahrer wie die Amerikaner Floyd Landis und Levi Leipheimer Anschluss an Armstrong, Basso und Ullrich. Andere wie der Zweitplatzierte im Gesamtklassement, Mickael Rasmussen, Andreas Klöden und auch Winokurow konnten nur noch versuchen, ihren Zeitverlust in Grenzen zu halten. Rasmussen verlor mehr als eine Minute auf Armstrong, verteidigte aber seinen zweiten Platz in der Gesamtwertung. Dritter ist jetzt Ivan Basso vor Jan Ullrich.

„Ich kämpfe bis Paris. Wenn meine Beine gut sind, werde ich am Sonntag noch einmal angreifen“, sagte Ullrich. Schon vor dem letzten Berg hatte Lance Armstrong den anderen Fahrern immer wieder seine Stärke demonstriert, indem er mal selber Tempo machte, sich aber auch scheinbar arglos mehrfach einige Meter zurückfallen ließ. Der Amerikaner hatte die Rennsituation auch ohne seine Helfer jederzeit unter Kontrolle. Der Italiener Basso versuchte es ebenso wie Ullrich einige Male trotz der großen Hitze mit weiteren Tempoverschärfungen, doch der sechsmalige Tour-Sieger Armstrong konnte stets folgen.

Auf der Abfahrt vor dem Schlussanstieg hatten einige Fahrer noch einmal zu Armstrong, Basso und Ullrich aufgeschlossen. Doch als es wieder bergauf ging, fielen sie erneut zurück. Gespannt warteten die Fans auf eine weitere Attacke gegen Armstrong, stattdessen trat der Amerikaner einen halben Kilometer vor dem Ziel selbst an. Georg Totschnig wird froh gewesen sein, dass er den Zielstrich da gerade überquerte. Er hatte nicht einmal mehr die Kraft, das Trikot zu schließen, um den Namen seines Sponsors zu präsentieren.

Hinter Totschnig, der nach dem größten Erfolg seiner Karriere weinend auf dem Asphalt lag, hatten zunächst Ullrich und dann auch Basso nicht mehr so viele Reserven wie Armstrong, der sich noch ein Stück von ihnen absetzte. Der 33-jährige Texaner ist seinem siebten Sieg bei der Tour de France wieder einen Tag und ein großes Stück näher gekommen. Für Jan Ullrich ist nun ein Platz auf dem Podium greifbar.

Hartmut Scherzer[Ax-3-Domaines]

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