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Sport: Alles auf Rosa

Tim Wiese kämpft um den Platz in Bremens Tor

Tim Wiese ist ein Mensch, der den schrillen Auftritt liebt. Seitdem er bei Werder Bremen unter Vertrag steht, trägt er ein pinkfarbenes Trikot, und dass er damit ebenso schrille Reaktionen hervorruft, nimmt er gelassen hin. Gerade im Trainingslager in der Türkei wurde der 24 Jahre alte Wiese im Testspiel gegen Borussia Dortmund, bei seinem Comeback nach der zweiten Kreuzbandverletzung, von den Anhängern des Gegners auf das Übelste beschimpft. Trotzdem denkt Wiese nicht über einen Kleiderwechsel nach: „Das ist ein Super-Trikot.“ So wie sich Wiese auch für einen Super-Torwart hält, der bestens gerüstet ist für ein Torwartduell, das eine Menge Brisanz bietet.

Denn die Vorwürfe an die wacklige Abwehr des SV Werder Bremen treffen in dieser Saison auch die Nummer eins: Andreas Reinke, gerade 37 geworden, hat eine eher schwache Hinrunde hinter sich. Er leistete sich Patzer in steter Folge, dass sogar der sonst so besonnene Sportdirektor Klaus Allofs mäkelte: „Er hat keine Form und keine Sicherheit.“ Reinke kommentiert das Thema rückblickend so, wie er auch sein Torwartspiel interpretiert: unaufgeregt und mit einer gewissen Lässigkeit. Nein, er wolle nicht zurückschauen, nur so viel: „Ich gebe immer mein Bestes.“

Trainer Thomas Schaaf lässt seine Entscheidung bewusst offen. Am Freitag im Testspiel gegen Fenerbahce Istanbul (1:2) erhielt Wiese den Vorzug vor dem an Rückenproblemen leidenden Reinke, der am 21. Januar gegen den Hamburger SV das letzte Freundschaftsspiel vor dem Rückrundenstart bestreiten soll. Schaaf war mit Wieses Spiel gegen die Türken zufrieden: „Vor allem in einigen Eins-gegen- eins-Situationen hat er sich hervorgetan.“

Trotzdem geht Andreas Reinke davon aus, dass er am 25. Januar, beim Pokal- Viertelfinalspiel gegen den FC St. Pauli, und auch beim Rest der Rückrunde im Tor stehen wird. Doch ist der 37-Jährige wirklich noch gut genug für gewachsene Werder-Ansprüche? „Ja“, antwortet Dieter Burdenski, der zum Jahreswechsel recht überraschend als Torwarttrainer der Bremer aufgehört hat. „Jeder Torwart erlebt mal einen kleinen Einbruch – das kennt doch Oliver Kahn am besten.“ Für Burdenski zählt Routinier Reinke über die vergangenen Jahre zu den konstantesten Torhütern der Liga, „er spielt halt nicht so spektakulär“. Über Wiese sagt Werders früherer Torwarttrainer: „Er spielt optisch sehr wirkungsvoll.“ In ihrer Rollenauslegung unterscheiden sich die beiden Torhüter erheblich. Reinke neigt eher zum Stoizismus, Wiese hat einen Hang zur Schauspielerei.

Burdenskis Nachfolger Michael Kraft vermeidet jede Aussage, welcher der beiden Torhüter in der Rückrunde die Nummer eins sein wird. Es sieht allerdings so aus, als genieße Reinke zunächst noch einen Bonus. Fehlgriffe wie in der Hinrunde wird er sich aber kaum noch leisten können. So klaglos sich der vor der Saison wegen Wieses Kreuzbandriss kurzfristig verpflichtete Nothelfer Christian Vander auf die Bank verdrückte, wird sich Wiese nicht abspeisen lassen. Der Herausforderer hätte allerdings auch schon im Sommer den Zweikampf verloren – auch weil es Schaaf ein Gräuel war, wie Wiese gleich in seiner ersten Arbeitswoche bei Werder auftrat. „Ich werde den Zweikampf gewinnen“, hatte Wiese damals getönt.

Die aktuellen Aussagen lassen eine Läuterung erkennen. „Ich setze mich nicht mehr unter Druck“, sagt Wiese, „irgendwann werde ich mich sowieso durchsetzen.“ Reinkes Vertrag endet 2007. Doch Wiese wird, wenn er zum Stammtorhüter aufsteigt, nicht nur mit Leistung überzeugen müssen. Dass er sich stets die Haare gelt und tief gebräunt ist, ist ein erschöpfendes Gesprächsthema. Der Typ Selbstdarsteller ist in Bremen weit weniger gefragt als anderswo. Zudem ist das Publikum aus der Vereinshistorie heraus eine beinahe Jahrzehnte währende Kontinuität gewohnt – zwischen 1963 und 2002 standen im Prinzip nur vier Keeper im Werder-Tor: von Günter Bernard (287 Bundesliga-Spiele für Bremen) über Dieter Burdenski (444) und Oliver Reck (345) bis hin zur Frank Rost (147). Die Fans empfehlen Wiese auf dessen Homepage-Gästebuch, an diese Tradition anzuknüpfen – und bitteschön auf das pinkfarbene Trikot zu verzichten. Nur in dieser Sache ist Burdenski nah bei Wiese: „Torhüter müssen eigenwillige Persönlichkeiten sein. Entscheidend ist, wie gut einer hält, und nicht, was er anzieht.“

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