zum Hauptinhalt

Sport: Alter Freund, neu entdeckt

Der frühere Bundestrainer Rudi Völler wird Coach bei seinem ehemaligen Verein AS Rom

„Rudi, hilf uns!“ Auf der Internetseite des italienischen Fußballklubs AS Rom gibt es seit Donnerstag vergangener Woche nur noch ein Thema. Deutsche in Rom werden plötzlich von bislang wortkargen Nachbarn angehalten: „Hören Sie, Sie wissen doch bestimmt mehr: Kommt er jetzt? Kommt er?“ Am Dienstagmittag, als sich die Gerüchte um den ominösen Rudi verdichten, steigt der Börsenkurs des AS Rom um 0,86 Prozent – und die Internetseite des Vereins ist nur nach endlosen Wartezeiten erreichbar. Dann wird es offiziell: Rudi kommt.

Ja, Rom hat ihn wieder, den – laut Zeitungen – „geliebten, ersehnten, charismatischen“ Stürmer von einst, der zwischen 1987 und 1992 in 142 Spielen 45 Tore für den Traditionsverein geschossen hat. Rudi Völler, der ehemalige Bundestrainer, ist seit gestern der neue Coach des AS Rom. Er kehrt zurück in die Stadt, in der er die „schönste Zeit in meinem Fußballerleben“ verbracht hat, in der er seine Frau Sabrina kennen lernte und noch immer ein Haus hat.

Womit die guten Nachrichten für Völler aufhören und die Probleme beginnen. Roma hat mehr als 110 Millionen Euro Schulden durch teure Spielergehälter und ausstehende Steuer-Nachzahlungen an den Staat angehäuft. Ein Großteil der Leistungsträger musste den Klub deswegen vor dieser Saison verlassen. Wenn die Regierung des Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi nicht ein großzügiges Rabattsystem für reuige Steuersünder aufgelegt hätte, dann hätte der AS Rom schon längst zumachen müssen.

Im Frühjahr wollte Franco Sensi, der 78-jährige Ölmagnat und Präsident des AS Rom, seinen teuren Zuschussbetrieb an Roman Abramowitsch, den Besitzer des FC Chelsea London, abstoßen. Aber nach eingehender Kassen- und Kontenprüfung verzichtete der russische Milliardär dankend. Sensi musste ans Familiensilber, um den AS Rom zu retten: Ein Riesenhotel in Rom hat er verkauft und eine Tageszeitung in Ancona, seine Beteiligungen an der römischen Flughafengesellschaft sind weg, genauso wie ein Großteil seiner Aktien an der Holding Italpetroli. Aber die Kollekte für den Rest der notwendigen Schuldentilgung blieb bis jetzt unter allen Erwartungen; Spieler und Investoren wollen nicht, wie sie sollen.

Immerhin hat Sensi Roma in letzter Minute die Lizenz für die kommende Saison gesichert, in der der Meisterschaftszweite sogar in der Champions League spielt. Doch gleichzeitig suchte ihn anderes Ungemach heim: Der Brasilianer Emerson, früher in Leverkusen, wechselte zu Juventus Turin, genauso wie der Erfolgstrainer Fabio Capello – „klammheimlich und über Nacht“, wie die Fans noch heute beklagen. Und Francesco Totti, der Publikumsliebling in Rom, er spuckte bei der EM einem Dänen ins Gesicht. Selten ist ein Spieler in der Gunst der Tifosi so schnell und tief gesunken.

Die gute Seite an dieser Affäre war, dass Sensi nicht mehr befürchten musste, auch Totti würde von einem anderen Verein weggekauft. Mit der Verpflichtung von Trainer Cesare Prandelli und dem Eintreffen des 22-Millionen-Euro-Schecks für Fernsehrechte schien Rom Tritt gefasst zu haben. Doch nach knapp drei Monaten sah alles schon wieder anders aus. Prandelli trat vergangenen Donnerstag zurück, weil seine Frau schwer an Krebs erkrankt ist. Diese Entscheidung wurde in ganz Italien gewürdigt, selbst von den verfeindeten Lazio-Fans. Doch die Konsequenz war: Rom stand wieder ohne Trainer da.

Aber jetzt kommt ja Rudi. Gestern Mittag, kurz nach der Landung in Rom, sagte Völler: „Ich hoffe nur, dass es mir gelingt, hier mein Bestes zu geben.“ Er weiß: Der AS Rom ist Vizemeister; da ist nach oben noch etwas, nach unten aber noch viel mehr drin. Italiens größte Sport- und Völler-Fanzeitung, der „Corriere dello Sport“, hat bereits auf das Risiko hingewiesen. Als ehemaligen Stürmer liebe man den Deutschen. „Als Trainer müssen wir ihn erst entdecken.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false