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Sport: Am liebsten unsichtbar

Mit starken Leistungen gefährdet Eishockey-Nationalstürmer Michael Wolf seine erwünschte Anonymität

Michael Wolf entspricht nicht gerade dem landläufigen Bild eines Eishockeyprofis. 1,77 Meter ist er groß und eher schlank als betont kräftig. Er wirkte am späten Donnerstagabend unter seinen Kollegen im Kabinentrakt der Arena von Hannover unauffällig. Das Gegenteil war zuvor auf dem Eis der Fall gewesen – da war Wolf beim 2:3 gegen die USA zum Auftakt des Deutschland-Cups auffälligster deutscher Spieler gewesen. Er hatte das 1:3 geschossen, die Aufholjagd seiner Mannschaft energisch eingeleitet und war als bester Spieler ausgezeichnet worden – wieder einmal. Doch kurz danach versuchte der 26 Jahre alte Mann mit dem Allgäuer Akzent, den eigenen Auftritt herunterzuspielen: „Im Mannschaftssport brauchst du gute Mitspieler, sonst läuft da nix.“

Bei Michael Wolf verraten derlei Phrasen nicht mangelndes rhetorisches Geschick, sie dienen ihm vor allem als Schutz. Ihm sei mulmig vor dem „Druck, der aufgebaut wird“ und ihn dann mit Erwartungen überfrachten könne, sagt er. Den Druck baut er durch seine Leistungen allerdings selbst auf: In der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) hat er diese Saison für die Iserlohn Roosters in 19 Spielen bereits 21-mal getroffen. Er könnte der erste deutsche Torschützenkönig seit Dieter Hegen 1992 werden.

Darauf angesprochen, geht Wolf gleich in Abwehrhaltung. „Wenn man sich mit so Großen wie Hegen vergleichen lässt, macht man sich nur noch mehr Druck.“ Deshalb also hat er kürzlich bis 2010 in Iserlohn unterschrieben. Er will im beschaulichen, druckfreien Sauerland bleiben, auch wenn es anderswo sicher mehr zu verdienen gäbe für einen so treffsicheren Stürmer. Wolf schmunzelt. „In Iserlohn ist für mich bisher alles sehr gut gelaufen, warum also sollte ich etwas ändern? Ich habe in meiner Karriere bisher immer den richtigen Weg eingeschlagen.“

Mit üblichen Maßstäben gemessen wirkt der Karriereweg des Michael Wolf wie ein Umweg. Von Oberligist EV Füssen ging er zu Zweitligist SC Bietigheim-Bissingen, von dort zu den Moskitos Essen. Da war Wolf schon 24 Jahre, länger aber konnte er sich vor der DEL nicht verstecken: Nachdem er deutscher Topscorer der Zweiten Liga geworden war, wechselte er 2005 in die höchste Klasse. Kurz darauf debütierte er im Nationalteam. „Wolf ist der Erste, den ich rausschicke, wenn es eine schwierige Spielsituation gibt“, sagt Bundestrainer Uwe Krupp über seinen agilen Außenstürmer.

Bei Wolf sei es die Kombination aus Nervenstärke und Kampfgeist, die ihn so wertvoll mache, sagt Krupp. Und die Qualitäten als Torjäger natürlich: Bei seiner ersten WM-Teilnahme im Mai in Moskau hat er fünfmal in sechs Spielen getroffen. Wolf sagt dazu, er habe mentale Techniken, die ihm das Toreschießen erleichtern würden. Nicht zu viel darüber zu reden sei eine davon. Stattdessen versteckt er sich lieber hinter den Mitspielern: „Jeder erfüllt seine Rolle bei uns, wir machen als Team enorme Fortschritte, werden von Jahr zu Jahr besser.“ Auch das 2:3 gegen die USA sei kein Untergang, nun müsse man halt am Sonnabend die Dänen schlagen (18 Uhr, live im DSF), um dann am Sonntag um Platz 3 des Deutschland-Cups spielen zu können. Hauptziel sei aber, ein schlagkräftiges Team für die WM 2010 in Deutschland aufzubauen. Michael Wolf will dann auf jeden Fall dabei sein – allerdings wohl kaum noch als Spieler der Iserlohn Roosters. Denn seine vielen Tore sind für die Manager der größeren Klubs spätestens seit dieser Saison nicht mehr zu übersehen.

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