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Segeln

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America's Cup: Unter alter Flagge, aber mit neuen Ideen

Das Team Germany bereitet sich akribisch und mit größerer Crew auf den nächsten America’s Cup vor. "Wir stehen vor der größten Herausforderung", sagt Sportdirektor Schümann.

Äußerlich hat sich im deutschen Basiscamp in Valencia seit dem Sommeralbtraum kaum etwas verändert. Auch im zweiten Anlauf operiert Team Germany hinter der modernen Holzfassade in der Muelle de Nazaret in Valencia. Fitness-Studio, Büroräume, Werfthallen und VIP-Lounge sind geblieben. Doch die elegante Verpackung wird gerade mit neuen Inhalten gefüllt.

Nach dem Zerfall der sportlich gescheiterten Mannschaft um Ex-Skipper Jesper Bank ist die Trendwende eingeläutet. Kein Geringerer als der dreimalige Olympiasieger Jochen Schümann hat die Führung übernommen. Mit viel Macht und noch mehr Mut will der Star des deutschen Segelsports seine neue Mannschaft auf Erfolgskurs trimmen. Dafür hat Schümann mit der Vergangenheit radikal gebrochen. Nur fünf Segler haben den harten Schnitt überstanden, bekommen ihre zweite Chance. Darunter sind mit dem Hamburger Trimmer Matti Paschen und dem Cuxhavener Jan Schoepe lediglich zwei deutsche Profis. Dazu kommen die Heimkehrer Tim Kröger und Tony Kolb, die zuletzt für das südafrikanische Team Shosholoza und Larry Ellisons US-Team BMW Oracle Racing im Einsatz waren. Dieses Quartett soll nicht nur Können und Erfahrung einbringen, sondern auch die Brücke zu den heimischen Fans bauen und verlorenes Vertrauen zurück gewinnen. Schümann sagt: „Wir hoffen, dass wir unsere Fans nicht enttäuschen.“

Der 53 Jahre alte Sportdirektor hat sein ganz eigenes Konzept von seinem ehemaligen Arbeitgeber Alinghi mitgebracht. Dort fuhr mit, wer gut war, die Nationalität war Nebensache. Das Konzept mündete bei Alinghi in zwei Cup-Siege. Es lässt keinen Raum für überzogene nationale Ansprüche: „Bei uns wird es keine Quotendeutschen geben“, sagt Schümann, der sich seine Cup-Siege nach dem Einstieg in ein Außenseiterteam vor acht Jahren selbst hart erarbeiten musste. Wenn seine Segelmannschaft im Frühjahr 2008 komplett ist, dann werden ihr inklusive Schümann nur fünf deutsche Segler angehören – das ist etwa ein Fünftel des angestrebten 26-köpfigen Kaders. Nach gleichem Prinzip entstehen die Teams in anderen Bereichen wie Design, Bootsbau, Logistik und Marketing. Beispiel Rumpf-Design: Mit dem Briten Jason Ker, dem Franzosen Bernard Nivelt und dem jungen Deutschen Roland Kleiter arbeiten drei Männer an den optimalen Linien der künftigen deutschen Cup-Yacht, die in diesem Winter in der Kieler Werft Knierim Yachtbau entsteht und voraussichtlich im Sommer vor Valencia optimiert wird. Oliver Kayser, als Technischer Direktor des Teams für Partner Porsche Consulting im Einsatz, erklärt: „Wir bringen unterschiedliche Nationalitäten und Teamkulturen zusammen, um durch die Vielfältigkeit der Sichtweisen und den Ideenreichtum das Maximum an Kreativität in die neuen Boote einfließen zu lassen.“

Im Lager der deutschen Mannschaft weht ein anderer Wind als noch in der Premieren-Kampagne, die den eigenen Zielen zwei Jahre lang hinterher hinkte. Wenn Jochen Schümann heute sagt, dass sein Team 2009 das Halbfinale der Herausfordererserie erreichen will, dann klingt das realistisch. Nicht beeinflussen dagegen kann Schümann die Pläne des America’s-Cup-Managements. Noch immer schwelt der Gerichtsstreit zwischen US-Kläger BMW Oracle Racing und Titelverteidiger Alinghi. Die Amerikaner werfen den Schweizern eine unfaire Regelgestaltung vor, wollen vor dem Obersten Gerichtshof New Yorks eine Kursänderung erzwingen. So sollen ab 1. März 2009 Tests mit zwei Booten erlaubt sein. „Das widerspricht dem Programm an Kostensparmaßnahmen, das wir gemeinsam aufgestellt haben“, sagt Alinghi-Rechtsanwalt Lucien Masmejan. Die Entscheidung wird in den kommenden Wochen erwartet, ist aber berufungsfähig. Es droht eine Ausuferung des Prozesses und damit auch eine Verzögerung des Zeitplans für die 33. Cup-Auflage seit 1851.

Insider rechnen bereits damit, dass nicht wie geplant 2009, sondern erst 2010 um die begehrteste Trophäe des internationalen Segelsports gekämpft werden kann. Für Team Germany käme die Verschiebung einer Ohrfeige gleich, denn Schümanns Team hat sich eine hervorragende Ausgangsposition im allgegenwärtigen Kampf gegen die Zeit geschaffen. Sollte das 33. Rennen um den America’s Cup tatsächlich verschoben werden, hätten andere Teams Zeit, schon jetzt verlorenen Boden wieder gut zu machen.

Fest steht aus Schümanns Sicht aber in jedem Fall: „Wir stehen vor der größten vorstellbaren Herausforderung. Mehr Druck geht nicht. Doch wenn am Ende das Resultat stimmt, dann hat es sich gelohnt.“ Der Antreiber hat mehr als nur einen kurzfristigen Erfolg im Sinn. Er will mit Team Germany die Basis für ein langfristiges deutsches Engagement im America’s Cup schaffen. „Deswegen müssen wir vor allem Vertrauen in unsere Leistungsfähigkeit schaffen“, sagt Schümann. „Wenn wir am Ende stolz auf das Erreichte sein können, dann werden auch andere stolz auf uns sein.“

Sina Steinmann[Valencia]

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