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Lewis Hamilton

© dpa

Analyse: Der Fall Lewis Hamilton: Form vor Wahrheit

Mit kontroversen Argumenten hat der Verband Fia den Einspruch gegen die Strafe für Formel-1-Pilot Hamilton abgelehnt.

Lewis Hamilton hatte alles versucht. In der achtstündigen Berufungsverhandlung hatte der Formel-1-Pilot nüchtern argumentiert, war laut geworden und emotional, um seinen Sieg beim Rennen in Belgien zurückzuerhalten. Der in der WM führende Engländer hatte vor zwei Wochen in Spa kurz vor Schluss Kimi Räikkönen im Ferrari überholt, war aber wegen des Abkürzens in einer Schikane mit einer 25-Sekunden-Strafe belegt worden, die ihn auf Rang drei zurückwarf. Doch Hamiltons Einsatz half nicht viel: Das Berufungsgericht des Automobil-Weltverbands Fia wies den Einspruch seines Teams McLaren-Mercedes am Dienstag nach zweitägiger Untersuchung wegen eines Formfehlers ab. Damit geht Hamilton nun wie gehabt mit einem WM-Punkt Vorsprung vor Felipe Massa (Ferrari) ins nächste Rennen in Singapur. Der 23-Jährige ließ wissen, er sei „enttäuscht, aber nicht niedergeschlagen“.

Je länger sich die Verhandlung jedoch gezogen hatte, desto mehr hatten sich Beweislast und Rechtfertigungsdruck von Hamilton und seinem protestierenden Rennstall in Richtung der Instanz verschoben, die eigentlich über den Fall befinden sollte. Die Fia machte in der Affäre von Anfang an keinen guten Eindruck. Die Vermutung, dass es wie so oft in Auseinandersetzungen, in die Fia-Präsident Max Mosley, sein Intimfeind McLaren-Chef Ron Dennis und Ferrari involviert sind, um mehr geht als um sportliche Argumente, wurde durch Prozessdetails nur noch verstärkt. So tauchte nicht erst in Paris die Frage auf, warum Fia-Renndirektor Charlie Whiting noch während des Grand Prix von Belgien McLarens Sportdirektor Dave Ryan zweimal per Funk versicherte: „Ich glaube, das Manöver ist okay“ – nur um kurz darauf seine Meinung zu ändern und die Rennkommissare damit zu beauftragen, den Fall zu untersuchen.

In die Nähe der Lüge

Während sich Whitings Sinneswandel vielleicht noch anders erklären ließe als damit, dass Mosley über seinen Assistenten Alan Donelly sehr starken Einfluss auf die Rennleitung ausübt, rückte eine weitere Begebenheit die Fia in die Nähe der Lüge. McLaren hatte die Rechtmäßigkeit des Einspruchs mit dem Vorfall beim Rennen in Japan im vergangenen Jahr begründet. Damals wurde ein Einspruch gegen eine Zeitstrafe des Toro-Rosso-Fahrers Vitantonio Liuzzi zugelassen, der den Deutschen Adrian Sutil im Überholverbot passiert hatte. Die Fia ließ über Renndirektor Whiting nun in Paris erklären, man hätte mit dem damals zuständigen Rennkommissar Tony Scott-Andrews gesprochen, der zugegeben hätte, dass dies ein Fehler gewesen sei und man eine Boxendurchfahrtsstrafe hätte verhängen sollen, gegen die ein Protest nach Artikel 152 des International Sporting Codes nicht zulässig ist. McLaren präsentierte daraufhin eine Erklärung Scott-Andrews’, wonach dieser bestreitet, dass diese Unterhaltung je stattgefunden habe und er überhaupt diese Meinung vertrete.

Die Fia wies den Einspruch schließlich trotzdem ab – mit dem Verweis auf eben jenen Artikel 152 und der Erklärung, dass eine Durchfahrtsstrafe nicht mehr möglich gewesen sei, weil der Grand Prix bereits beendet war.

"Ich kenne jedes Manöver"

Vor diesem Hintergrund wirkte es reichlich absurd, dass Hamilton am Montag noch selbst seine Sicht der Dinge hatte darlegen dürfen. Im Kreuzverhör des Ferrari-Anwalts Nigel Tozzi rief der 23-Jährige aufgebracht: „Sind Sie ein Rennfahrer? Nein! Ich bin seit dem achten Lebensjahr einer und kenne jedes Manöver.“ Er habe im Zweikampf mit Räikkönen einen Unfall vermeiden wollen und sei deswegen in der Schikane geradeaus gefahren. Aber er habe diesen Vorteil danach zurückgegeben, indem er den Finnen wieder habe passieren lassen, bevor er ihn erneut angriff. „Das glaube ich wirklich, Hand aufs Herz.“ Mit einem „Ich hoffe, die Richter erkennen die Wahrheit“ hatte er sich danach Richtung Singapur verabschiedet, wo am Sonntag das erste Nachtrennen der Formel-1-Geschichte ausgetragen wird.

Die Wahrheit aber, das machten die Tage von Paris klar, ist in der Formel 1 Ansichtssache. Vor allem, wenn die Fia, McLaren und Ferrari an ihrer Findung beteiligt sind. (Mitarbeit: Karin Sturm)

Christian Hönicke

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